Leitsatz (amtlich)

1. Verletzter i. S. d. §§ 171 Satz 2, 172 Abs. 1 Satz 1 StPO ist nur derjenige Antragsteller, der durch die behauptete Tat unmittelbar in einem eigenen durch die in Betracht kommende materielle Strafrechtsnorm geschützten Rechtsgut betroffen wäre.

2. Im Strafverfahren sind durch Verstösse gegen die Bestimmung des § 339 StGB (Rechtsbeugung) solche Personen nicht verletzt, die weder am Verfahren beteiligt noch unmittelbar in einem Individualrechtsgut betroffen sind.

3. Der Bestimmung des § 339 StGB kommt zum Schutz der Unabhängigkeit der Rechtspflege eine Sperrwirkung in dem Sinne zu, dass eine Verurteilung wegen einer Tätigkeit bei der Leitung einer Rechtssache nach anderen Vorschriften - hier nach § 222 StGB - nur möglich ist, wenn auch die Voraussetzungen des § 339 StGB gegeben sind.

4. Im Falle einer behaupteten Unterlassungstäterschaft hat die Antragsschrift nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO auch die tatsächlichen Entstehungsgründe der Handlungspflicht des Beschuldigten derart darzulegen, dass das Antragsvorbringen aus sich heraus - ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten - auf seine Schlüssigkeit hin nachprüfbar ist.

5. Der Klageerzwingungsantrag muß den Beschuldigten, wenn er nicht namhaft gemacht werden kann, wenigstens so genau umschreiben, dass dessen Identifizierung möglich ist.

 

Tenor

Der Antrag der Anzeigeerstatter C P und V P auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 27. September 1999 wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Bezirksjugendschöffengericht - Mannheim hatte den jugendlichen Angeklagten S K. am 10. 08. 1998 unter anderem wegen gemeinschaftlichen Raubes, gemeinschaftlichen schweren Diebstahls und gefährlicher Körperverletzung zu der Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt (Az. : 7 Ls 126/97 SG 7 - 73/97 JUG). Die Entscheidung über die Vollstreckung der Jugendstrafe war zugleich bis 01. 03. 1999 nach § 57 Abs. 1 JGG ausgesetzt worden; der Jugendliche wurde insbesondere angewiesen, an einer berufsvorbereitenden Maßnahme beim Internationalen Bund für Sozialarbeit sowie an einem viermonatigem Antiaggressivitätstraining teilzunehmen. Noch während dieser Vorbewährungszeit stach der damals 16 Jahre alte S. K. in der Nacht vom 10. auf den 11. 12. 1998 den Polizeibeamten M P mit einem Messer nieder und fügte ihm tödliche Verletzungen im Halsbereich zu, als der Beamte den bei einem Einbruch in einem Einkaufsmarkt in Mannheim auf frischer Tat betroffenen Jugendlichen festnehmen wollte. S. K. wurde am 17. 12. 1999 vom Landgericht - Jugendkammer - Mannheim dieserhalb u. a. wegen Mordes zu der Jugendstrafe von zehn Jahren verurteilt.

Die Eltern des ermordeten Polizeibeamten, C P und V P, erstatteten unter dem 05. 01. 1999 Strafanzeige" gegen alle Personen, die in strafrechtlich relevanter Weise an dem Tod ihres Sohnes schuldig sind". Mit Verfügung vom 18. 05. 1999 stellte die Staatsanwaltschaft Mannheim das Ermittlungsverfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO ein. Die Generalstaatsanwaltschaft gab mit Bescheid vom 27. 09. 1999 der Beschwerde der Anzeigeerstatter keine Folge. Hiergegen haben sich die Anzeigeerstatter mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewandt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag der Anzeigeerstatter als unbegründet zu verwerfen.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig, da er in mehrfacher Hinsicht nicht den formellen und materiellen Anforderungen des § 172 Abs. 3 S. 1 StPO entspricht.

1. Der Antrag der Anzeigeerstatter ist, soweit Gegenstand des Ermittlungsverfahrens der Verdacht eines Verbrechens der Rechtsbeugung nach § 339 StGB (i. d. F. des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption vom 13. 08. 1997 - BGBl. I S. 2038) war und die Anzeigeerstatter mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung insoweit die Erhebung der öffentlichen Klage gegen Richter am Amtsgericht M begehren, unzulässig. Denn die Anzeigeerstatter sind insoweit schon nach dem Antragsvorbringen nicht Verletzte i. S. d. §§ 171, 172 Abs. 1 Satz 1 StPO. Sie sind nicht, wie es diese Bestimmungen aber voraussetzen, durch die behaupteten Taten im Rahmen des unter dem Vorsitz von Richter am Amtsgericht M vor dem Amtsgericht - Bezirksjugendschöffengericht - Mannheim gegen S K geführten Jugendstrafverfahrens (7 Ls 126/97 SG 7-73/97 JUG) unmittelbar in einem eigenen Rechtsgut betroffen worden.

Ein Anzeigeerstatter, der zugleich Verletzter ist, kann gem. § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO gegen einen Beschwerdebescheid der Generalstaatsanwaltschaft gerichtliche Entscheidung beantragen. Verletzter i. S. d. Bestimmung ist derjenige, der durch die behauptete Tat unmittelbar in einem eigenen Rechtsgut verletzt wäre. Ob eine solche unmittelbare Verletzung vorliegt, hängt davon ab, ob die in Betracht kommende materielle Strafrechtsnorm rechtliche Positionen des Antragstellers schützt (LR-Rieß StPO 24. Aufl. § 172 Rdnr. 51; Frisch JZ 1974, 7). Rechtsgut des § 339 StGB ist die Rechtspflege, insbesondere die Geltung der Rechtsor...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?