Leitsatz (amtlich)
Zur Zulässigkeit der Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers (§§ 141, 142 Abs. 1 StPO).
Tenor
Die Beschwerde des Angeklagten gegen die Verfügung des Vorsitzenden der Strafkammer III des Landgerichts vom 14. März 2000 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.
Tatbestand
Der Beschwerdeführer befindet sich seit 12. 09. 1999 in vorliegender Sache ununterbrochen in Untersuchungshaft. Die ursprünglich auf 09. 03. 2000 und vier Folgetage bestimmte Hauptverhandlung mußte am 10. 03. 2000 ausgesetzt werden, nachdem der Verteidiger des Mitangeklagten nicht erschienen und infolge stationären Klinikaufenthaltes auch nicht in der Lage war, die Fortsetzungstermine wahrzunehmen. Mit Verfügung vom 13. 03. 2000 beraumte der Vorsitzende der Kammer neuen Termin zur Hauptverhandlung auf den 15. 06. 2000 und vier Folgetage an. Im Hinblick auf die Urlaubsabwesenheit des dem Angeklagten am 18. 02. 2000 beigeordneten Verteidigers an den ersten zwei der fünf vorgesehenen Verhandlungstagen bestellte der Vorsitzende der Jugendkammer mit Verfügung vom 14. 03. 2000 dem Angeklagten zur Verfahrenssicherung einen zweiten Pflichtverteidiger. Hiergegen richtet sich die mit Schreiben des Angeklagten vom 20. 03. 2000 und mit Schriftsatz des zunächst bestellten Verteidigers vom 21. 03. 2000 erhobene Beschwerde.
Entscheidungsgründe
Soweit das Rechtsmittel durch Schriftsatz des Verteidigers vom 21. 03. 2000 erhoben wurde, ist es nach dem Gesamtzusammenhang der Begründung, die auf das bestehende Vertrauensverhältnis, die Kostentragungslast sowie das Auswahlrecht des Beschuldigten nach § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO verweist, als Beschwerde im Namen des Angeklagten zu behandeln, zumal als bekannt vorauszusetzen ist, dass dem Pflichtverteidiger kein eigenes Beschwerderecht zusteht (BVerfGE 39, 238, 242). Das mithin einheitliche Rechtsmittel des Angeklagten ist zwar gem. § 304 StPO zulässig (OLG Frankfurt StV 1993, 348, StV 1995, 68, StV 1997, 575 f; OLG Stuttgart NStZRR 1996, 207 f; OLG Düsseldorf StV 1999, 586), in der Sache jedoch nicht begründet.
Zweck der Pflichtverteidigung ist es, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass ein Beschuldigter in den vom Gesetz bestimmten Fällen rechtskundigen Beistand erhält und dass ein ordnungsgemäßer Verfahrensablauf gewährleistet ist (BVerfG NJW 1975, 1015, 1016). Letzteres Ziel kann es dabei gebieten, dem Beschuldigten neben einem bereits vorhandenen Wahl- oder Pflichtverteidiger einen weiteren Verteidiger zu bestellen. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers neben dem vorhandenen Verteidiger ist z. B. geboten, wenn bei notwendiger Verteidigung zu befürchten ist, dass der vorhandene Verteidiger in der Hauptverhandlung nicht ständig anwesend sein oder die zur reibungslosen Durchführung der Hauptverhandlung erforderlichen Maßnahmen nicht treffen kann oder will oder sonstige Gründe der prozessualen Fürsorge es gebieten ( vgl. BGHSt 15, 306 ff, 309; OLG Düsseldorf NStZ 1986, 137 f; OLG Hamburg NStZ-RR 1997, 203; OLG Frankfurt StV 1986, 144). Bei der Bewertung, ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist dem gem. § 141 Abs. 4 StPO zur Entscheidung berufenen Vorsitzenden ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ( OLG Hamburg aaO S. 203). Für den vorliegenden Fall besteht ein unabweisbares Bedürfnis für die Beiordnung eines zweiten Pflichtverteidigers, um die Verhandlung auch während der vorübergehenden Verhinderung des erstbestellten Verteidigers sicherzustellen und damit dem in Haftsachen bestehenden Beschleunigungsgebot genüge zu tun ( OLG Hamm NJW 1978, 1986). Zwar muß grundsätzlich gefordert werden, dass der Vorsitzende versucht, in Absprache mit dem Verteidiger einen Hauptverhandlungstermin zu finden, der diesem eine Teilnahme an der Hauptverhandlung ermöglicht. Denn andernfalls bestünde die Gefahr, dass einem Angeklagten ohne hinreichenden Grund der Anwalt seines Vertrauens entzogen würde, ungeachtet des Falles, ob der zunächst beigeordnete Verteidiger förmlich entpflichtet wird oder die Beiordnung aufrechterhalten bleibt ( vgl. OLG Frankfurt StV 1995, 11 f für den Fall der Entpflichtung). Andererseits kann der Beschuldigte nicht verlangen, dass der Pflichtverteidiger seines Vertrauens stets im Verfahren belassen wird. Insbesondere zwingt die Verhinderung eines Verteidigers nicht zur Verlegung oder Aussetzung der Hauptverhandlung (BGH NStZ 1992, 247 f; OLG Hamburg NStZ-RR 1997, 203 f ). Selbst der Abberufung seines ersten Pflichtverteidigers vermag der Beschuldigte nicht wirksam entgegenzutreten, wenn triftige Gründe vorliegen und für die Verteidigung in anderer Weise Sorge getragen ist (OLG Karlsruhe Die Justiz 1980, 338). Zu den triftigen Gründen zählt es, wenn der bestellte Verteidiger seine Mitwirkung in der Hauptverhandlung als dem wichtigsten Teil seiner durch die Bestellung begründeten Pflicht zur ordnungsgemäßen Führung der Pflichtverteidigung verweigert. Die mit der durch den Verteidiger schriftsätzlich angestrebten Terminsverlegung verbundene Erklärung, am 15. und 19. 06. 2000...