Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Bemessung des Streitwerts bei Ansprüchen im Zusammenhang mit einem Nutzerkonto in einem sozialen Netzwerk
Leitsatz (amtlich)
Bei der Streitwertfestsetzung ist der Antrag auf Wiederherstellung eines gelöschten Profils in einem sozialen Netzwerk mit dem Antrag auf Freischaltung eines dauerhaft gesperrten Profils vergleichbar.
Der Antrag, weitere Sperren oder Deaktivierungen wegen nicht näher bezeichneter künftiger Beiträge ohne vorherige Anhörung zu unterlassen, ist mit einem Bruchteil hiervon (hier: ¼) zu bewerten.
Normenkette
GKG § 68; RVG § 32 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Beschluss vom 11.04.2023; Aktenzeichen 3 O 226/22) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 11.04.2023, 3 O 226/22, wird der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf EUR 15.000,00 festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin hat in ihrer Klage beantragt, ihr bei der Beklagten unterhaltenes und von dieser gelöschtes Profil vollständig wieder herzustellen, alle Lösch- und Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz zu löschen und es zu unterlassen, die Klägerin wegen der Veröffentlichung von Beiträgen ohne vorherige Möglichkeit zur Gegenäußerung zu sperren. Wegen der Einzelheiten der Antragsfassung wird auf die Klageschrift Bezug genommen.
Das erstinstanzliche Verfahren ist durch Rücknahme der Klage beendet. In der Folge hat das Landgericht Karlsruhe durch Beschluss vom 11.04.2023, 3 O 226/22, den Streitwert auf EUR 27.500,00 festgesetzt (Wiederherstellung des Nutzerkontos EUR 20.000,00, Löschung im Nutzerdatensatz EUR 2.500,00, Unterlassung weiterer Sperren EUR 5.000,00, AS I 184). Hiergegen richtet sich die am 23.05.2023 eingegangene Beschwerde der Beklagten, mit der sie eine Festsetzung des Streitwerts auf maximal EUR 7.750,00 begehrt (Wiederherstellung des Nutzerkontos EUR 5.000,00, Löschung im Nutzerdatensatz EUR 1.250,00, Unterlassung weiterer Sperren maximal EUR 1.500,00). Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 05.06.2023 nicht abgeholfen mit der Begründung, die Beschwerde sei unzulässig, da die Beklagte nach der Rücknahme der Klage durch einen ggf. zu hoch festgesetzten Streitwert nicht nachteilig betroffen sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien, insbesondere zur Streitwerthöhe, wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.
Die Einzelrichterin hat das Verfahren gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 6 Satz 2 GKG dem Senat übertragen.
II. Die gemäß § 68 GKG statthafte und zulässige Beschwerde der Beklagten ist teilweise begründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Dabei kann offen blieben, ob sich eine Beschwer der Beklagten daraus ergibt, dass diese sich nach ihrem eigenen Vorbringen in einem außergerichtlichen Vergleich zu einer anteiligen Übernahme der Gerichtskosten verpflichtet hat, und vor allem, ob diese Beschwer den Wert von EUR 200,00 (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG) übersteigt. Denn auch eine obsiegende Partei ist bereits durch eine zu hohe Streitwertfestsetzung beschwert, wenn sie im Verfahren von einem Rechtsanwalt vertreten worden ist. Denn die Gebühren, die sie dem Rechtsanwalt schuldet, ermitteln sich nach dem festgesetzten Streitwert (§ 32 Abs. 1 GKG); der gegen den Gegner bestehende Kostenerstattungsanspruch ändert nichts daran, dass sie gegenüber dem Rechtsanwalt zur Zahlung der Gebühren verpflichtet ist (OLG Saarbrücken NJW-RR 2019, 1535 - juris, Rn. 1; OLG Frankfurt, NJW-RR 2016, 763 - juris, Rn. 5; BeckOK/Laube, Kostenrecht, 44. Ed., Stand 01.01.2024, § 68 Rn. 58). Die Differenz zwischen der Verfahrensgebühr aus dem festgesetzten und dem beantragten Streitwert übersteigt den Betrag von EUR 200,00.
2. Die Beschwerde ist auch teilweise begründet. Der Streitwert für die erste Instanz wird insgesamt auf EUR 15.000,00 festgesetzt.
a. Für den Klageantrag zu 1 (Wiederherstellung des gelöschten Profils einschließlich der Verknüpfung mit den Profilen anderer Nutzer und Gewährung des Zugriffs) bringt der Senat einen Streitwert von EUR 10.000,00 in Ansatz. Der Bundesgerichtshof hat in einem nicht veröffentlichten Beschluss vom 27.01.2022, III ZR 4/21, den Streitwert für einen Antrag auf Freischaltung des Nutzerkontos, Gewährung des unbeschränkten Zugangs und Wiederherstellung aller Beiträge auf EUR 10.000,00 festgesetzt. Die Übertragung dieser Bewertung erscheint dem Senat auch auf den vorliegenden Fall angemessen. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass bei Anträgen, die sich gegen eine 30tägige Sperre eines Nutzerkontos in einem sozialen Netzwerk richten, von einem Streitwert von EUR 2.500,00 auszugehen ist (BGH, Beschluss vom 26.11.2020, III ZR 124/20 - juris, Rn. 11; BGH, Beschluss vom 25.02.2021, III ZR 172/20 - juris, Rn. 9), dass der Betrag jedoch bei längerer oder mehrfacher Sperre des Benutzerkontos nicht einfach mit der Anzahl der von einer Sperre betroffenen Monate multipliziert werden kann, sondern moderat zu erhöhen ist (BGH, Beschluss vom 28.01.2021, III ZR 156/20 - juris, Rn. 13). Zugleich entspricht dieser...