Leitsatz (amtlich)
1. Erklärt der Antragsteller im Prozesskostenhilfeantrag, die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage ergebe sich aus dem in der Anlage beigefügten Klageentwurf, so ist damit i.d.R. auch dann ausreichend klar, dass keine zuzustellende Klageschrift vorliegt, wenn die Anlage als unterschriebene Klage gestaltet ist.
2. Durch einen vor dem 1.1.2002 eingegangenen Prozesskostenhilfeantrag mit Klageentwurf wird die nach dem 1.1.2002 erhobene Klage nicht anhängig i.S.v. § 26 Nr. 2 EGZPO.
Normenkette
ZPO § 117; EGZPO § 26 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Offenburg (Aktenzeichen 2 O 183/03) |
AG Kehl (Aktenzeichen 3 C 527/01) |
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das LG O. bestimmt.
Gründe
I. Der jetzige Kläger stellte mit Schriftsatz vom 5.7.2001 an das AG K. einen Antrag auf Prozesskostenhilfe. In der Begründung heißt es:
„Die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage ergibt sich aus dem in der Anlage beigefügten Klageentwurf …”
Die Anlage enthielt einen als Klage überschriebenen Schriftsatz, mit dem Schadensersatz i.H.v. 9.975 DM = 5.100,14 Euro gefordert wurde, der alle Anforderungen an eine Klage erfüllte, insb. unterschrieben war. Das AG behandelte den Antrag und die Anlage als PKH-Antrag, der formlos dem Gegner zur Stellungnahme übersandt wurde. Mit Beschluss vom 15.8.2002 gewährte das AG K. Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug und forderte den Kläger zur Einreichung einer Klageschrift auf. Der Klägervertreter teilte mit Schriftsatz vom 13.10.2002 mit, er habe schon eine Klageschrift eingereicht und reichte vorsorglich nochmals gleichzeitig eine im Original unterschriebene Kopie nebst Abschriften beim AG ein. Nach deren Zustellung und erfolgter Klageerwiderung terminierte der Amtsrichter und wies in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass für die Zahlungsklage i.H.v. 5.100,14 Euro die sachliche Zuständigkeit des AG nicht gegeben sei. Nach diesbezüglicher Rüge der Beklagten verwies das AG die Klage auf den Hilfsantrag des Klägers mit Beschl. v. 31.3.2003 an das LG O. Das LG O. verwies, ohne den Parteien rechtliches Gehör zu gewähren, den Rechtsstreit mit Beschluss an das AG K. zurück, weil der Rechtsstreit nach § 26 Nr. 2 EGZPO am 1.1.2002 in K. bereits anhängig gewesen sei. Das AG legte den Rechtsstreit dem OLG nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor.
II. 1. Das OLG Karlsruhe hat als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht das zuständige Gericht zu bestimmen.
2. Rechtskräftige Erklärungen, nicht zuständig zu sein, liegen vor. Sie wurden den Parteien bekannt gegeben.
3. Als zuständiges Gericht war das LG O. zu bestimmen, da der Verweisungsbeschluss des AG K. vom 31.3.2003 für das LG O. nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend ist.
Das LG O. nimmt rechtsfehlerhaft an, das Verfahren sei vor dem 1.1.2002 beim AG K. anhängig gewesen. Es beachtet dabei nicht, dass Klage und PKH-Verfahren kein einheitliches Verfahren darstellen und mit der Einreichung eines PKH-Antrags der Rechtsstreit als solcher nicht anhängig wird (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 117 Rz. 7). Zwar wird bei gleichzeitiger Einreichung von PKH-Gesuch und Klage auch der Rechtsstreit als solcher anhängig. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger jedoch im PKH-Antrag ausreichend klargestellt, dass die „Klage” nur eine beabsichtigte Klage und ein Klageentwurf als Anlage zum Prozesskostenhilfeantrag war (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 117 Rz. 7; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 117 Rz. 3; vgl. auch OLG Karlsruhe v. 21.9.1988 – 13 U 3/88, NJW-RR 1989, 512; Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 117 Rz. 25), so dass die Behandlung als Prozesskostenhilfeantrag durch das AG zutreffend war. Eine weitere Aufklärung durch das AG war nicht geboten. Eine evtl. gegenteilige Erklärung des Klägers nach Gewährung der Prozesskostenhilfe kann hieran zumindest rückwirkend nichts ändern. Somit wurde erst 2002 mit Eingang des Schriftsatzes vom 13.10.2002 eine Klage anhängig, so dass entgegen der Ansicht des LG § 26 Nr. 2 EGZPO und § 23 GVG i.d.F. vor dem 1.1.2002 nicht anwendbar sind.
Ob das AG K. nach dem 1.1.2002 nach § 26 Nr. 2 EGZPO für die Entscheidung über den PKH-Antrag zuständig blieb, braucht im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden. Für die Bindungswirkung der Verweisung im Klageverfahren ist dies nicht relevant.
Dr. Eith Bauer Kuhn VorsRiOLG RiOLG RiLG
Fundstellen
Haufe-Index 1106728 |
ZAP 2004, 463 |
RENOpraxis 2004, 95 |
OLGR-KS 2003, 386 |