Leitsatz (amtlich)
Einem im Schichtdienst tätigen Polizeibeamten, der in seiner dienstfreien Zeit vor Gericht als Zeuge vernommen worden ist, steht eine Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 20 JVEG auch dann zu, wenn der Zeitaufwand für die Vernehmung nachträglich als Arbeitszeit anerkannt wird.
Tenor
1.
Auf die weitere Beschwerde des Zeugen R. M. werden die Beschlüsse des Amtsgerichts H. vom 21.02.2007 und des Landgerichts H. vom 08.03.2007 aufgehoben.
2.
Dem Beschwerdeführer wird gemäß § 20 JVEG eine Entschädigung von 3 EUR je angefangener Stunde (insgesamt 9 EUR) bewilligt.
3.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
Im Strafverfahren gegen C. P. war der Beschwerdeführer, der im Schichtdienst tätige Polizeibeamte M. während seiner dienstfreien Zeit aufgrund einer Zeugenladung zur Hauptverhandlung am 05.02.2007 um 9.00 Uhr erschienen und wurde um 11.05 Uhr entlassen. Der Zeitaufwand für die Vernehmung einschließlich der Wegzeiten wird ihm von seinem Dienstherrn nachträglich als Arbeitszeit gutgeschrieben.
Auf seinen Antrag auf Zeugenentschädigung wurden ihm am 05.02.2007 Fahrtkosten antragsgemäß zuerkannt. Seinen weiteren Antrag auf Zuerkennung einer Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 20 JVEG lehnte der Kostenbeamte ab. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung verwarf das Amtsgericht H. mit Beschluss vom 21.02.2007 und lies die Beschwerde gegen diesen Beschluss gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zu. Unter Zulassung der weiteren Beschwerde (§ 4 Abs. 5 JVEG) verwarf das Landgericht H. mit Beschluss vom 08.03.2007 - nach Übertragung der Sache auf die Kammer - die mit Schreiben vom 28.02.2007 eingelegte Beschwerde.
Der mit Schreiben vom 19.03. 2007 eingelegten weiteren Beschwerde half das Landgericht mit Beschluss vom 28.03.2007 nicht ab. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.
Die gemäß § 4 Abs. 5 JVEG zulässige weitere Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Dem Beschwerdeführer steht gemäß § 20 JVEG eine Entschädigung in Höhe von 3 EUR für jede angefangene Stunde zu.
Eine Entschädigung für Zeitversäumnis ist dann zuzubilligen, wenn der Zeuge weder für einen Verdienstausfall (§ 22 JVEG) noch für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21 JVEG) zu entschädigen ist, es sei denn ihm ist durch seine Heranziehung ersichtlich kein Nachteil entstanden. Als Nachteil in diesem Sinne sind dabei - wie bereits zu § 2 Abs. 3 ZuSEG in Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertreten - nicht nur materielle, sondern auch immaterielle Nachteile zu verstehen (OLG Düsseldorf VRS 111,159; Zimmermann, Kommentar zum JVEG, § 20 Rdnr. 3; Meyer-Höver-Bach, JVEG § 20 Rdnr. 20.5; Hartmann, Kostengesetze, 37. Auflage, § 20 JVEG Rdnr. 3 und § 21 JVEG Rdnr. 7). Nach der Systematik des § 20 JVEG ist dabei grundsätzlich vom Eintritt eines Nachteils durch die Heranziehung auszugehen (Zimmermann aaO); das Nichtvorliegen eines Nachteils kann nur ausnahmsweise angenommen werden. Hinsichtlich eines Polizeibeamten im Schichtdienst, der seiner Zeugenpflicht in seiner dienstfreien Zeit nachkommt und dem von seinem Dienstherrn die aufgewendete Freizeit nachträglich (einschließlich der Zeit für die Hin- und Rückfahrt ) als Arbeitszeit gewertet wird, liegt ein solcher Ausnahmefall nicht vor. Der Senat tritt den Erwägungen der Entscheidung des OLG Düsseldorf (aaO) bei. Angesichts der besonderen Belastungen des Schichtdienstes, kommt den zwischen den Dienstzeiten liegenden Freizeiten eine besondere Bedeutung für die Erholung zu. Die Unterbrechung der Freizeiten durch dienstliche Anforderungen, insbesondere zur Wahrnehmung von Gerichtsterminen setzt den Erholungswert der dienstfreien Zeit - jedenfalls bei der hier vorliegenden mehr als zweistündigen Unterbrechung - massiv herab. Der Beschwerdeführer hätte seine Freizeit ohne die nicht lediglich kurzfristige Unterbrechung anders verbringen können. Bei dieser Sachlage kann im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer "ersichtlich" kein Nachteil entstanden ist.
Ihm war daher die beantragte Entschädigung unter Aufhebung der diese versagenden Beschlüsse zuzubilligen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.
Fundstellen