Leitsatz (amtlich)

Zum Recht des Minderjährigen auf angemessene Vertretung seiner Interessen in einer seine Person betreffenden Kindschaftssache (Verfahren über die Anordnung, Führung und Fortdauer einer Vermögenspflegschaft); hier: Ablehnung des Rechtspflegers wegen Befangenheit wegen Zurückweisung des von einem mehr als 14 Jahre alten Kind benannten Rechtsanwalts.

 

Normenkette

FamFG §§ 9, 60, 158-159; UNKRÜbk Art. 12

 

Verfahrensgang

AG Bruchsal (Beschluss vom 17.09.2015; Aktenzeichen 22 F 34/12)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Pfleglings wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bruchsal vom 17.09.2015 - 22 F 34/12 - aufgehoben.

Das Ablehnungsgesuch des Pfleglings vom 06.08.2015 gegen Rechtspflegerin M. wird für begründet erklärt.

2. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben, Auslagen Verfahrensbeteiligter nicht erstattet.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das Verfahren betrifft die Pflegschaft des sechzehnjährigen Pfleglings. Das Kind ist Vollwaise. Die Vermögenspflegschaft wird geführt von Rechtsanwalt A.. Die Personensorge wird ausgeübt durch die Großeltern Rita und Werner L., bei denen das Kind lebt.

Mit Schriftsatz vom 29.12.2014 beantragten die Rechtsanwälte K. u. Koll. im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Hauses des Pfleglings durch Rechtsanwalt A., die Betreuung (richtig wohl: Vermögenspflegschaft) durch Rechtsanwalt A. zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufzuheben und diese Pflegschaft den Großeltern, ersatzweise Rechtsanwalt K., zu übertragen. Mit Verfügung vom 14.01.2015 wurden die Rechtsanwälte vom Gericht darauf hingewiesen, dass aus dem Antrag nicht ersichtlich sei, wen sie vertreten; es wurde Vollmachtsvorlage aufgegeben, wobei darauf hingewiesen wurde, dass der minderjährige Pflegling keine Vollmacht erteilen könne, da er noch nicht voll geschäftsfähig sei.

Mit Schriftsatz vom 19.01.2015 beantragten die Rechtsanwälte "namens und im Auftrag des Pfleglings" die Pflegschaft für die Großeltern auf Vermögensangelegenheiten zu erweitern, hilfsweise die Großeltern als weitere Vormünder zu bestellen, solange die Pflegschaft von Rechtsanwalt A. andauere. Mit Schriftsatz vom 02.06.2015 zeigten die Rechtsanwälte an, dass sie die rechtlichen Interessen des Pfleglings vertreten, dieser vertreten durch die Großeltern. Namens und im Auftrag des Pfleglings wurde um Auskunft gebeten, wann der Kaufpreis aus dem Hausverkauf eingegangen sei und wer welche Beträge erhalten habe. Vorsorglich wurde um Akteneinsicht gebeten. Mit Schreiben vom 22.06.2015 wiederholten die Rechtsanwälte ihr Vorbringen im Schriftsatz vom 02.06.2015. Mit Schreiben vom 17.07.2015 wies die abgelehnte Rechtspflegerin unter Bezugnahme auf den Antrag auf Akteneinsicht die Rechtsanwälte darauf hin, dass mangels wirksamer Prozessvollmacht für den Pflegling keine Akteneinsicht erteilt werden könne. Dem Pflegling stehe jederzeit die Möglichkeit offen, sich an den Vermögenspfleger zu wenden.

Mit Verfügung vom 22.07.2015 übersandte die abgelehnte Rechtspflegerin dem Pflegling selbst verschiedene Unterlagen und setzte dem Pflegling Frist zur Stellungnahme "zu allen Anträgen" bis 07.08.2015, und wies darauf hin, dass der Pflegling selbst einen Termin auf persönliche Akteneinsicht vereinbaren müsse, da die Rechtsanwälte nur die Großeltern vertreten könnten.

Eine bei dem Familiengericht am 31.07.2015 eingegangene Beschwerde der Rechtsanwälte gegen die Ablehnung der Akteneinsicht blieb unberücksichtigt. Auf eine Terminsvereinbarung vom 27.07.2015 fand am 05.08.2015 ausweislich eines Vermerks der abgelehnten Rechtspflegerin ein Termin statt, in dem dem Pflegling allein Einsicht in die Akte auf dem Dienstzimmer gewährt wurde. Die Akteneinsicht wurde durch Rechtsanwalt K. beendet, indem er den Pflegling zur Beendigung der Akteneinsicht aufforderte und Schriftsätze vom 04.08.2015 übergab.

Mit Schriftsatz vom 04.08.2015 wurde Rechtspflegerin M. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die abgelehnte Rechtspflegerin ohne sachlichen Grund dem Pflegling die Hilfe eines Rechtsanwalts verweigere.

Mit am 06.08.2015 bei dem Familiengericht eingegangenem Fax-Schriftsatz vertieften die Rechtsanwälte die Begründung des Ablehnungsantrags und wiesen unter ausführlicher Darlegung von Rechtsprechung und Literatur darauf hin, dass ein verfahrensfähiger Beteiligter Verfahrensvollmacht erteilen könne.

Die abgelehnte Rechtspflegerin hat sich dienstlich geäußert und in der dienstlichen Äußerung abschließend darauf hingewiesen, dass eine rechtlich andere Beurteilung auch aufgrund der vorliegenden Kommentierung nicht erfolgen könne.

Mit Beschluss vom 17.09.2015 wies das Familiengericht das Ablehnungsgesuch zurück. Auf die Gründe wird Bezug genommen. Gegen den am 24.09.2015 zugestellten Beschluss richtet sich die am 05.10.2015 eingegangene sofortige Beschwerde. Mit Beschluss vom 07.10.2015 hat der Richter des Familiengerichts der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die gem. §§ 6 Abs....

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