Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschleunigungsgebot in Haftsachen: Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr bis zum Beginn der Hauptverhandlung. Anforderungen an die Terminsdichte bei bereits länger andauernder Inhaftierung des Angeklagten
Leitsatz (amtlich)
Anforderungen an die Terminsdichte bei bereits länger andauernder Inhaftierung des Angeklagten
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 21.12.2017) |
LG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 30.03.2016) |
Tenor
- Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Haftbefehl des Landgerichts Freiburg im Breisgau vom 30. März 2016 in der Fassung des Haftfortdauerbeschlusses des Landgerichts Freiburg im Breisgau vom 21. Dezember 2017 in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 28. Dezember 2017 aufgehoben.
- Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten darin entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
I.
Gegen den heute 58-jährigen Beschwerdeführer, der bis kurz vor seiner Suspendierung im Mai 2012 als VP-Führer bei der Kriminalpolizei C tätig war, ist seit Ende Juni 2014 beim Landgericht Freiburg ein Strafverfahren wegen zahlreicher Fälle der Bestechlichkeit, Verletzung von Privat- und Dienstgeheimnissen, Strafvereitelung im Amt, Urkundenfälschung, Betrug und Hehlerei, begangen in der Zeit von Mitte 2008 bis Mai 2012, anhängig.
Nachdem das Hauptverfahren mit Beschluss vom 15.12.2015 eröffnet und die Anklage vom 26.06.2014 zur Hauptverhandlung vor der 2. Großen Strafkammer (in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern) zugelassen worden war, wurde das erste Mal mit Verfügung vom 15.02.2016 Termin zur Hauptverhandlung bestimmt. Dabei waren für die Zeit vom 29.03. bis zum 12.05.2016 zehn Sitzungstage vorgesehen. Bei Aufruf der Sache am 29.03.2016 erschien der Angeklagte nicht; seine polizeiliche Vorführung kam nicht zustande. Daraufhin wurde die Hauptverhandlung ausgesetzt und am 30.03.2016 gegen den Angeklagten Haftbefehl erlassen.
Ende Mai 2016 wurde der Angeklagte in Marokko festgenommen und befand sich zunächst in Auslieferungshaft. Am 21.01.2017 wurde er nach Deutschland überstellt; der Strafkammer war dieser Termin durch die Staatsanwaltschaft Freiburg am 04.01.2017 mitgeteilt worden. Der Haftbefehl des Landgerichts Freiburg vom 30.03.2016 wurde dem Angeklagten am 22.01.2017 eröffnet; seitdem befindet er sich in Untersuchungshaft.
Mit Beschluss vom 24.01.2017 hat das Landgericht Freiburg das seit dem 13.05.2016 wegen damals unbekannten Aufenthalts des Angeklagten gemäß § 205 StPO vorläufig eingestellte Verfahren wieder aufgenommen. Auf Nachfrage des Vorsitzenden vom 24.01.2017 hat der damalige Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Z, am 28.01.2017 mitgeteilt, dass er den Angeklagten nicht mehr verteidige und aus persönlichen Gründen für eine Bestellung als Pflichtverteidiger nicht zur Verfügung stehe. Mit am 07.02.2017 eingegangenem Schreiben vom 06.02.2017 nannte der Angeklagte dem Vorsitzenden auf dessen Nachfrage vom 31.01.2017 drei Rechtsanwälte als mögliche Pflichtverteidiger und bat darum, deren Bereitschaft zur Übernahme der Verteidigung in der von ihm genannten Reihenfolge abzufragen. Auf telefonische Nachfrage des Vorsitzenden am 10.02.2017 erklärte sich Rechtsanwalt X als der vom Angeklagten an erster Stelle gewünschte Verteidiger zur Übernahme der Pflichtverteidigung bereit. Der Vorsitzende hatte ihn auf den Umfang der Sache (etwa neuen Umzugskartons mit Akten) und deren Eilbedürftigkeit als Haftsache mit alsbaldiger Terminierung (etwa zehn Verhandlungstage, voraussichtlich Mai/Juni 2017) hingewiesen. Mit Verfügung vom selben Tage wurde Rechtsanwalt X zum Verteidiger bestellt und ihm Akteneinsicht gewährt.
Nach vorheriger telefonischer Abstimmung mit Rechtsanwalt X bestimmte der Vorsitzende mit Verfügung vom 23.02.2017 die nachfolgend genannten zehn Hauptverhandlungstermine in der Zeit vom 08.05. bis zum 10.07.2017 (soweit nicht anders vermerkt jeweils ab 09.00 Uhr; die tatsächliche Verhandlungsdauer ist in Klammern angegeben), wobei der Termin am 08.06.2017 aufgrund der Urlaubsabwesenheit des Verteidigers in der Zeit vom 05.06. bis zum 16.06.2017 von vorneherein als Kurztermin vorgesehen war. Zeugen wurden zu diesem Zeitpunkt nicht geladen.
Montag, 08.05.2017 |
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(09.00 bis 12.16 Uhr) |
Donnerstag, 11.05.2017 |
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(aufgehoben - s. u.) |
Donnerstag, 18.05.2017 |
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(09.00 bis 13.00 Uhr) |
Donnerstag, 08.06.2017 |
- Kurztermin |
(09.25 bis 09.35 Uhr) |
Montag, 19.06.2017 |
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(09.05 bis 14.45 Uhr) |
Dienstag, 20.06.2017 |
- 13.00 Uhr |
(14.30 bis 15.33 Uhr) |
Montag, 26.06.2017 |
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(09.05 bis 15.10 Uhr) |
Montag, 03.07.2017 |
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(09.15 bis 11.45 Uhr) |
Dienstag, 04.07.2017 |
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(09.10 bis 09.25 Uhr) |
Montag, 10.07.2017 |
(09.55 bis 14.55 Uhr) |
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Am 14.03.2017 teilte Rechtsanwalt X mit, dass er an dem zunächst als verfügbar notierten Termin am 11.05.2017 doch nicht zur Verfügung stehe. Dieser Termin sei in seinem Kalender fälschlicherweise als verfügbar eingetragen gewesen, jedoch habe er für diesen Tag bereits in einer anderen Sache einen Termin vereinbart, nachdem auch i...