Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch auf Erstattung des durch einen ärztlichen Behandlungsfehler verursachten behinderungsbedingten Mehraufwands steht dem geschädigten Kindes selbst zu. Dessen Eltern sind insoweit lediglich mittelbar Geschädigte ohne eigenen Anspruch, denn der Schutz des Vermögens der Eltern fällt i.d.R. nicht in den Schutzbereich des Behandlungsvertrags.
2. Die im Verfahren vor der Gutachterkommission erhobenen Gutachten dürfen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe im Weg des Urkundenbeweises zur Prüfung der Erfolgsaussichten verwertet werden.
3. Wer die Haftung eines Arztes aus der fehlerhaften Unterlassung eines Schwangerschaftsabbruchs herleitet, muss darlegen und beweisen, dass dieser rechtmäßig gewesen wäre.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Mannheim (Beschluss vom 17.10.2002; Aktenzeichen 8 O 218/02) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des LG Mannheim vom 17.10.2002 – 8 O 218/02 – wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Tochter der Antragsteller kam am 16.12.1997 schwerstgeschädigt mit Spina bifida, Hydrocephalus und einem Klumpfuß zur Welt. Ihre Mutter, die Antragstellerin zu 1), war wegen eines vermuteten Anfallsleidens im März 1997 in der Behandlung der Neurologischen Klinik der Antragsgegnerin zu 1). Sie erhielt dort Medikamente, die nach Behauptung der Antragsteller zur Schädigung der Leibesfrucht und damit des Kindes führten.
Die Antragstellerin zu 1) war vom 27.6.1997 bis zur Überweisung in die Universitätsfrauenklinik am 7.8.1997 in der Behandlung des als Antragsgegner zu 2) in Anspruch genommenen Frauenarztes. Am 27.6.1997 stellte er die Schwangerschaft der Antragstellerin zu 1) fest, beurteilte sie als in der 13. + 2 Schwangerschaftswoche und den Fötus als unauffällig. Diese Beurteilung halten die Antragsteller für grob fehlerhaft und behaupten, sie hätten dem Antragsgegner zu 2) auch im Hinblick auf die Behandlung bei der Antragsgegnerin zu 1) erklärt, gebe es die Gefahr von Missbildungen (ein früheres Kind der Antragsteller war 1996 sieben Tage nach der Geburt wegen eines Multiorganversagens infolge des vererbten OTC-Gendefekts verstorben), wolle die Antragstellerin zu 1) die Schwangerschaft abbrechen.
Das LG hat die beantragte Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der die Antragsteller beide Antragsgegner auf Feststellung ihrer Pflicht zum Ersatz sämtlicher behinderungsbedingten Mehraufwendungen und den Antragsgegner zu 2) auf Feststellung seiner Pflicht zum Ersatz sämtlicher materieller Schäden sowie (Antragstellerin zu 1) auf Schmerzensgeld in Anspruch nehmen wollen, versagt.
II. Die hiergegen erhobene zulässige sofortige Beschwerde (§§ 127, 567 ZPO) ist nicht begründet.
A. Haftung der Antragsgegnerin zu 1):
1. Die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1) ist schon deshalb ohne Aussicht auf Erfolg, weil den Antragstellern ein ersatzfähiger Schaden nicht entstanden ist. Den Vortrag der Beschwerdeführer als richtig unterstellt, haben die der Antragstellerin zu 1) im Krankenhaus der Antragsgegnerin zu 1) im März 1997 verordneten Medikamente den Schluss des Neuralrohres verhindert und die Meningomyezele verursacht, ferner auch die übrigen Behinderungen des Kindes. Dieses ist also geschädigt worden und ihm steht (wenn die Behauptung der Antragsteller richtig sein sollte, dass die Medikation fehlerhaft und ursächlich gewesen ist) der Anspruch auf Schadensersatz zu (vgl. BGHZ 58, 48). Der Schaden als von ihnen zu tragender behinderungsbedingter Mehraufwand trifft sie erst wegen der Schädigung des Kindes. Die Antragsteller sind also (nur) mittelbar Geschädigte und auch der Behandlungsvertrag ist nicht auf den Schutz des als betroffen bezeichneten Rechtsgutes gerichtet, (vgl. Oetker in MünchKomm, 4. Aufl., Band 2a, § 249 Rz. 269, 272; BGH NJW 1977, 1283). Rechtsgut in diesem Sinn ist hier allein das von den Antragstellern geltend gemachte eigene Vermögen (und nicht die Gesundheit und Integrität ihrer Tochter). Die Schädigung der Leibesfrucht ist auch keine Körperverletzung der Mutter (OLG Düsseldorf v. 9.11.1987 – 8 W 56/87, NJW 1988, 777 [778]; anderer Ansicht OLG Oldenburg v. 14.5.1991 – 5 U 22/91, MDR 1991, 1140 = NJW 1991, 2355; OLG Koblenz v. 28.1.1988 – 5 U 1261/85, NJW 1988, 2959 [2960]). Die Voraussetzungen, unter denen der mittelbar Geschädigte nach Deliktsrecht einen Anspruch auf Schadensersatz hat (§§ 844, 845 BGB), liegen nicht vor.
2. Trotz der Divergenz zwischen den Ansichten des Senats und der OLG Oldenburg und Koblenz ist die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, weil die Versagung von Prozesskostenhilfe auch mit der Begründung des LG richtig ist und damit die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2, 3 ZPO nicht vorliegen (vgl. BGH v. 19.12.2002 – VII ZR 101/02, BGHReport 2003, 347 = NJW 2003, 831).
a) Dass die im Verfahren vor der Gutachterkommission erhobenen Gutachten im Weg des Urkundenbeweises auch zur Prüfung der Erfolgsaussichten im Verfahren über die Prozesskostenhilfe verwertet werden dürfen, entspricht der Rechtsprechun...