Leitsatz (amtlich)
1. Eine Haftung des die Schwangerschaft betreuenden Arztes wegen der Geburt eines behinderten Kindes auf Ersatz der damit verbundenen Unterhaltsbelastung kommt nur in Betracht, wenn feststeht, dass die Schwangerschaft bei zutreffender Diagnostik hätte rechtmäßig abgebrochen werden dürfen. Weitere Voraussetzung ist, dass ein Abbruch auch tatsächlich erfolgt wäre.
2. Diese Voraussetzungen hat im Streitfall der Patient zu beweisen.
3. Wird der hypothetische Schwangerschaftsabbruch auf § 218a Abs. 2 StGB gestützt, so genügen bloße Beeinträchtigungen der Eltern in der Lebensplanung oder Einschränkungen in ihrer Lebensführung nicht. Auch eine schwere Behinderung des Kindes stellt allein keinen hinreichenden Rechtfertigungsgrund dar. Voraussetzung ist der Nachweis, dass auf Seiten der Mutter eine gesundheitliche Beeinträchtigung von Krankheitswert zu erwarten gewesen wäre.
Normenkette
StGB § 218a
Verfahrensgang
LG Hechingen (Beschluss vom 13.05.2009; Aktenzeichen 2 O 329/2008) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Hechingen vom 13.5.2009 - 2 O 329/08 - (Bl. 52 ff. d.A.) wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des LG Hechingen vom 13.5.2009 (Bl. 52 ff. d.A.), durch den die beantragte Prozesskostenhilfe (PKH) mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 114 ZPO) versagt wurde.
1. Die Antragstellerin hat am 18.12.2006 ihre Tochter S. zur Welt gebracht, die am sog. Down-Syndrom (Trisomie 21) leidet. Sie beabsichtigt, die Beklagte, eine Gynäkologin, die sie während der Schwangerschaft betreut hat, wegen fehlerhafter Beratung über die Möglichkeiten pränataler Diagnostik bzw. wegen Unterlassung entsprechender Untersuchungen (Triple-Test, Chorionzottenbiopsie, Amniozentese) auf Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Sie behauptet im Wesentlichen, sie habe die Antragsgegnerin mehrmals auf die Möglichkeit entsprechender Diagnostik angesprochen und deutlich gemacht, dass sie insoweit wegen des Verlusts einer Leibesfrucht im Dezember 2005 Sicherheit wolle. Die Antragsgegnerin habe aber abgewiegelt und sinngemäß erklärt, sie solle sich keine Sorgen machen, sondern auf Gott vertrauen.
Wären die gebotenen Untersuchungen durchgeführt worden, so wäre das Down-Syndrom der Tochter frühzeitig festgestellt worden mit der Folge, dass sie die Schwangerschaft abgebrochen hätte. Dieser Abbruch wäre rechtmäßig gewesen, weil damals die Voraussetzungen des § 218a Abs. 2 StGB vorgelegen hätten. Die Antragstellerin habe damals nach dem Tod ihrer Mutter im Jahre 2005 in einer psychischen Ausnahmesituation gestanden und daher die Mitteilung einer zu erwartenden Behinderung ihres Kindes psychisch nicht verkraftet. Das Austragen in Kenntnis der Diagnose wäre mit schwerwiegenden Gefahren für ihr Leben oder zumindest ihren körperlichen und seelischen Gesundheitszustand verbunden gewesen, was den Abbruch der Schwangerschaft gerechtfertigt hätte.
Tatsächlich seien auch schwere psychische Beeinträchtigungen entstanden, die die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes in der Größenordnung von mindestens 15.000 EUR rechtfertigten. Zunächst hatte die Antragstellerin Verdienstausfall i.H.v. 750 EUR monatlich geltend gemacht. Im Beschwerdeverfahren verlangt sie stattdessen Ersatz behinderungsbedingter Mehraufwendungen für die Versorgung des Kindes in entsprechender Höhe.
2. Das LG hat den Antrag zurückgewiesen, weil die Antragstellerin nicht hinreichend dargelegt habe, dass die Voraussetzungen eines legalen Schwangerschaftsabbruchs nach § 218a Abs. 2 StGB vorgelegen hätten. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
3. Mit ihrer sofortigen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Wegen der Begründung wird auf die Beschwerdeschrift (Bl. 60 ff. d.A.) verwiesen.
II. Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das LG die nach § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigen Klage verneint. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens.
1. Behandlungsfehler
a) Das LG hält es für möglich, dass der Antragsgegnerin ein Behandlungsfehler zur Last fällt, dann nämlich, wenn sie - wie von der Antragstellerin behauptet und unter Beweis gestellt - trotz ausdrücklicher Nachfrage und Wunsches der Antragstellerin von pränataler Diagnostik abgeraten und entsprechende Untersuchungen nicht durchgeführt oder veranlasst hätte.
b) Dies kann - je nach Lage des Falles - zutreffen. Eine Verpflichtung, pränatale Untersuchungen des Kindes durchzuführen, kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn die Antragstellerin oder ihr Ehemann die Antragsgegnerin konkret darauf angesprochen und entsprechende Untersuchungen verlangt haben sollten. Da für die entsprechenden Behauptungen Beweis angetreten ist (Zeugnis des Ehemannes), muss im PKH-Verfahren unterstellt...