Verfahrensgang
LG Hechingen (Beschluss vom 03.12.2015; Aktenzeichen 2 O 330/09) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Berufung vom 11.1.2016 wird zurückgewiesen.
Gründe
A. Die Klägerin ist Mutter ihres am XX.5.2006 geborenen Sohnes B. Er ..., der mit einer körperlichen Fehlbildung zur Welt kam (links fehlende untere Extremtität, rechts fehlender Unterschenkel und Fehlbildung des am Knie ansetzenden Fußes).
Die Klägerin hat erstinstanzlich den Beklagten in Anspruch genommen, weil dieser als ihr Frauenarzt die Fehlbildung während der Schwangerschaft pflichtwidrig nicht Er ... nt habe, was spätestens beim gemäß den Mutterschaftsrichtlinien am 27.1.2006 durchgeführten zweiten Ultraschallscreening möglich gewesen wäre. Sie hat behauptet, dass sie ihr Kind sonst abgetrieben hätte. Sie hat deshalb ein Schmerzensgeld von 30.000 EUR geltend gemacht, einen materiellen Schaden bis 31.10.2009 von 72.229,55 EUR (im Wesentlichen Pflegemehrbedarf von 45.994,60 EUR und Unterhalt von 25.534,95 EUR) und die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für weitere solcher Schäden.
Das LG hat ein gynäkologisches Gutachten von Prof. Dr. Re ... eingeholt zur Frage, ob die Schwangerschaftsbetreuung fehlerhaft war, und ein psychiatrisches Gutachten von PD Dr. Va ... zur Frage, ob ein Schwangerschaftsabbruch damals nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt gewesen wäre, um eine Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden. Dazuhin hat es zahlreiche Zeugen vernommen.
Nach Durchführung der Beweisaufnahme hat es die Klage abgewiesen.
Die Klägerin beantragt die Gewährung von PKH für eine Berufung, mit der sie die Aufhebung des klageabweisenden Urteils erreichen und ihre erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgen möchte, hilfsweise eine Zurückverweisung der Sache an das LG (Schriftsatz vom 11.1.2016, S. 3 = Bl. 441). Der Beklagte ist dem Antrag entgegengetreten.
B. Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von PKH für eine Berufung ist zurückzuweisen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 S. 1 ZPO).
I. Das gilt selbst dann, wenn man unterstellt, dass die Schwangerschaftsbetreuung des Beklagten fehlerhaft war, weil er - wie der gynäkologische Sachverständige moniert hat - nach dem zweiten Ultraschallscreening nach 21 Schwangerschaftswochen keine weiter gehende Ultraschalluntersuchung, erforderlichenfalls bei einem spezialisierten Diagnostiker (DEGUM II) zur Darstellung der Beine veranlasst hat, bei der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zumindest das Fehlen des linken Femurs bemerkt worden wäre (GA S. 10 = Bl. 174; Prot. 21.1.2013, S. 6 ff. = Bl. 232 ff.). Dahinstehen kann deshalb, ob das LG einen Behandlungsfehler dennoch verneinen durfte (weil es - unter Zitierung von Urteilen des LG Hamburg, 323 O 166/11 und des KG, 20 U 4469/93 - den Beklagten als nicht verpflichtet ansah, alle Extremitäten darzustellen; vgl. auch das Schreiben des ursprünglich als Sachverständigen beauftragten Prof. Dr. Ho ... vom 2.11.2011 zum Spannungsfeld "Babywatching vs. gezielte Fehlbildungsdiagnostik", Bl. 133 ff.).
II. Unterstellt werden kann weiter, dass die Klägerin bei Mitteilung der Fehlbildung persönlich eine Abtreibung favorisiert hätte, zumal auch der psychiatrische Sachverständige erläutert hat, "dass die Probandin sehr wahrscheinlich bei Kenntnis der Behinderung des Kindes in oder kurz nach der 21. Schwangerschaftswoche sich dafür entschieden hätte, wenn medizinisch möglich und von den Ärzten unterstützt, die Schwangerschaft zu beenden, da diese Erkenntnis auch zum damaligen Zeitpunkt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einen tiefen Einschnitt in ihre Identität ihr Selbstverständnis und ihre Selbstwahrnehmung sowie Wahrnehmung der Welt dargestellt hätte ... Dafür, dass die Probandin zumindest grundsätzlich keine prinzipiellen Schwierigkeiten mit einer Abtreibung gehabt hätte ... spricht auch der Umstand, dass sie bereits in der Trennungsphase von ihrem Exmann eine nach ihren Angaben ungewollte Schwangerschaft hat mit einer Abtreibung beenden lassen" (GA S.17-19 = Bl. 370-372).
III. Das allein reicht rechtlich aber für eine Haftung des Beklagten nicht aus.
Voraussetzung für eine Haftung wäre vielmehr auch, dass ein Schwangerschaftsabbruch nach § 218a Abs. 2 StGB gerechtfertigt gewesen wäre. Denn vom Schutzzweck des ärztlichen Behandlungsvertrages sind nur solche Nachteile umfasst, deren Vermeidung die Rechtsordnung erlaubt.
Nach § 218a Abs. 2 StGB ist der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch dann nicht rechtswidrig, wenn er unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder das Risiko einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustands der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nich...