Entscheidungsstichwort (Thema)
Familiengerichtliche Genehmigung einer Ermächtigung zum selbstständigen Betrieb eines Online-Handels
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen für eine familiengerichtliche Genehmigung, wenn der gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen diesen zum selbstständigen Betrieb eines Online-Handels ermächtigt.
2. Der Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Versagung der familiengerichtlichen Genehmigung steht nicht entgegen, dass sie nur von einem der gemeinsam sorgeberechtigten Elternteile eingelegt wird, wenn die Ermächtigung des anderen Elternteils unzweifelhaft fortbesteht.
Normenkette
BGB § 112 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 17.11.2022; Aktenzeichen 450 F 724/22) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg vom 17.11.2022 (450 F 724/22) wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist die Erteilung einer familiengerichtlichen Genehmigung der Ermächtigung eines Minderjährigen zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts nach § 112 BGB.
Der Antragsteller (im Folgenden: Vater) und die Antragstellerin (im Folgenden: Mutter) sind die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern des am ... geborenen .... Sie haben ... ermächtigt, einen selbstständigen Onlinehandel auf dem Gebiet des Dropshipping zu betreiben und beim Amtsgericht Freiburg die familiengerichtliche Genehmigung dieser Ermächtigung beantragt. Hierzu wurde ein von ... erstellter Businessplan eingereicht, der später nach einem Gespräch von ... mit der Industrie- und Handelskammer ... durch einen neuen Businessplan ersetzt wurde.
Die zuständige Rechtspflegerin beim Amtsgericht Freiburg hat eine schriftliche Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer ... eingeholt und ... sowie dessen Vater persönlich angehört.
Mit Beschluss vom 17.11.2022 hat das Amtsgericht Freiburg den Antrag der Eltern, die Ermächtigungen ihres Sohnes ... zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts zu genehmigen, zurückgewiesen. Das Gericht sehe noch nicht die notwendige Reife des Betroffenen, im Erwerbsleben mit allen rechtlichen Konsequenzen agieren zu können. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.
Gegen den ihm am 19.11.2022 zugestellten Beschluss richtet sich die am 29.11.2022 beim Amtsgericht Freiburg eingegangene Beschwerde des Vaters, mit der er geltend macht, bei ... handle es sich um einen sehr guten Schüler. Der Klassenlehrer sehe die Voraussetzungen dafür, dass ... ein Erwerbsgeschäft führen könne, als erfüllt an. Die Erteilung der Genehmigung werde von zu hohen Anforderungen abhängig gemacht. Soweit der Senat darauf hingewiesen habe, dass die besondere Reife sich auch aus einer Teilnahme des Minderjährigen an einem Kurs bei der Industrie- und Handelskammer sowie aus praktischer Arbeit oder Praktika in einem Unternehmen ergeben könnte, sei zu berücksichtigen, dass auch bei Volljährigen nicht verlangt werde, dass sie eine Schulung bei der Industrie- und Handelskammer zur Führung eines Unternehmens absolvieren. ... habe sich eingehend mit dem von ihm beabsichtigten Dropshipping beschäftigt und einen soliden Businessplan ausgearbeitet. Zudem habe sich ... nach einem Kurs erkundigt, jedoch keinen passenden finden können. Die Industrie- und Handelskammer habe die beabsichtigte Aufnahme eines Erwerbsgeschäfts im vorgesehenen Umfang positiv beurteilt. Das wirtschaftliche Risiko sei äußerst gering. Hinsichtlich rechtlicher und steuerlicher Fragen habe sich ... überlegt, auf professionelle Unterstützung zurückzugreifen. Es sei insgesamt nicht nachvollziehbar, weshalb Zweifel an der Reife und den nötigen Fähigkeiten von ... zur Führung eines selbstständigen Betriebs bestünden.
Das Jugendamt der Stadt ... hat nach einem persönlichen Gespräch mit ... und dessen Eltern in seinem Bericht vom 15.06.2023 mitgeteilt, dass es sich nicht veranlasst sehe, dem Antrag entgegenzutreten.
Der Senat hat ..., dessen Eltern sowie die zuständige Fachkraft des Jugendamts persönlich angehört.
Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Sitzungsvermerk vom 07.07.2023 verwiesen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. 1. Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 58 ff. FamFG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Vaters ist zulässig.
a) Die erforderliche Beschwer nach § 59 Abs. 1 FamFG liegt vor, denn der Vater ist durch die Zurückweisung des Antrags auf Genehmigung der von ihm erteilten Ermächtigung seines Sohnes zur Führung eines selbstständigen Erwerbsgeschäfts in seinen Rechten, namentlich in seinem Erziehungsrecht, beeinträchtigt.
Die Erteilung der Ermächtigung nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt in der erzieherischen Entscheidungsfreiheit und damit im freien Ermessen der sorgeberechtigten Eltern (BeckOGK/Ahrens/Heicke, BGB, Stand 01.10.2019, § 112 Rn. 46; Staudinger/Klumpp,...