Leitsatz (amtlich)

Zur Besorgnis der Befangenheit, wenn ein Richter an Abschnitten einer Strafverhandlung als Zuhörer teilnimmt, in denen ein Sachverständiger zu dem Unfallgeschehen gehört wird, das Gegenstand des von ihm zu entscheidenden Rechtsstreits ist (hier verneint).

 

Normenkette

ZPO § 42 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Beschluss vom 06.09.2007; Aktenzeichen 4 O 565/05 H)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des LG Konstanz vom 6.9.2007 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt 2.116.372,70 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Klägerin macht aus abgeleitetem Recht bei der 4. Zivilkammer des LG Konstanz Schadensersatzansprüche geltend wegen eines Zusammenstoßes zweier Flugzeuge bei Überlingen, der sich am 1.7.2002 ereignet hat. Mit Antrag vom 7.6.2007 hat sie die Richter der 4. Zivilkammer VRLG M. und RLG H. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die abgelehnten Richter hätten am 21.5.2007 an der vor dem Schweizer Bezirksgericht in Bülach durchgeführten mündlichen Hauptverhandlung eines Strafverfahrens gegen acht Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin der Klägerin, der Schweizer skyguide, teilgenommen. An jenem Tage sei der Sachverständige Dr. G. vernommen worden. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. G. sei in dem von der erkennenden Kammer entschiedenen "Parallelverfahren" nicht eingeführt worden. Vielmehr habe der Prozessvertreter der (hier) Beklagten auf die Existenz des Gutachtens hingewiesen und ausgeführt, dass ihm eine vollständige Vorlage und Einführung dieses Gutachtens in den Prozess nicht möglich sei, weil ihm die Vorlage von der Auftraggeberin des Gutachtens, der Staatsanwaltschaft Konstanz, ausdrücklich verwehrt worden sei. Der abgelehnte Richter VRLG M. habe sich während der ganztägigen Beweisaufnahme umfangreiche Notizen gemacht. Die Klägerin gehe davon aus, dass die Richter - zumindest teilweise - die Gerichtsakte des hiesigen Rechtstreits (oder eine Kopie derselben) mit in die Verhandlung gebracht hätten. Zudem hätten sich beide Richter während einer Verhandlungspause über einen Zeitraum von fünf bis zehn Minuten angeregt mit dem Prozessvertreter der Beklagten, Herrn Rechtsanwalt Dr. S., der die Vernehmung des Sachverständigen Dr. G. ebenfalls als Zuhörer verfolgt habe, unterhalten. Wie aus mitgehörten Wortfetzen des Gesprächs deutlich geworden sei, sei Gesprächsgegenstand die Aussage des Sachverständigen Dr. G. und die bei skyguide in der Unfallnacht vorgefallenen Fehler gewesen. Zur Glaubhaftmachung dieses Tatbestands hat sich die Klägerin auf eine eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwaltes A. F. sowie auf die einzuholenden dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter bezogen.

Rechtsanwalt F. hat eidesstattlich versichert, dass die abgelehnten Richter als Zuschauer die gesamte Befragung von Dr. G., die sich während mehrerer Stunden bis in den späten Nachmittag erstreckt habe, verfolgt hätten. Er habe gesehen, dass Richter M. während der gesamten Befragung Akten vor sich gehabt habe. Diese Akten hätten maschinengeschriebene Papiere enthalten und hätten sich teilweise in schwarzen Ordnern befunden, wobei er unter dem Eindruck stehe, dass die Ordner einen amtlichen Bundesadler-Rücken hätten. Während der gesamten Befragung von Dr. G. habe sich Richter M. laufend handschriftliche Notizen gemacht. Während einer Verhandlungspause habe er festgestellt, dass sich die Richter M. und H. in der Stadthalle Bülach angeregt mit Dr. S. unterhalten hätten. Aus Wortfetzen dieses Gesprächs habe er erfahren, dass das Gesprächsthema die Befragung von Dr. G. und die bei skyguide in der Unglücksnacht vorgefallenen Fehler gewesen seien. Das Gespräch habe ca. fünf bis zehn Minuten gedauert.

Der abgelehnte Richter VRLG M. hat auszugsweise folgende Stellungnahme abgegeben. RLG H. und er seien sich der Brisanz einer etwaigen Begegnung mit Prozessvertretern von vornherein bewusst gewesen. Sie seien deshalb von Anfang an bei dem Gespräch mit Dr. S. darauf bedacht gewesen, sich jeglicher Äußerung zum Inhalt des Strafverfahrens, vor allem zur gutachterlichen Stellungnahme von Dr. G. oder unfallbezogenem Verhalten von Mitarbeitern von skyguide, zu enthalten. Richtig sei, dass er während der Verhandlung Notizen gemacht habe und einen Ordner mitgeführt habe. Dessen Rücken sei handbeschriftet und trage keinen Bundesadler. Der Ordner habe auch keine Bestandteile oder Kopien von Gerichtsakten enthalten.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das LG das Ablehnungsgesuch der Klägerin zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, das LG habe nicht gewürdigt, dass die abgelehnten Richter auf eigene Faust ausgerechnet diejenigen Informationen einzuholen gesucht hätten, die eine der Parteien in einem anhängigen Parallelverfahren habe einführen wollen, ohne sich dazu jedoch aus Rechtsgründen in der...

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