Leitsatz (amtlich)
1. Ist ein dingliches Vorkaufsrecht wirksam an einem Miteigentumsanteil entstanden, lassen nachträgliche Änderungen, die zum Erlöschen dieses Miteigentumsanteils führen, das entstandene dingliche Vorkaufsrecht nicht untergehen, sondern führen dazu, dass es an einem fiktiven Bruchteil des Grundstücks fortbesteht.
2. Der Anwendungsbereich des § 1095 BGB ist in einem derartigen Fall nicht eröffnet, da sich der Ausschluss von dinglichen Vorkaufsrechten an ideellen Grundstücksteilen, die nicht in einem Miteigentumsanteil verselbständigt sind, nur auf den originären Bestellungsakt bezieht.
3. Der Nachweis der Nacherbfolge kann nicht durch Vorlage des Erbscheins für den Vorerben mit Nacherbenvermerk geführt werden. Denn dieser bezeugt nur das Vorerbenrecht und muss nach Eintritt des Nacherbfalls eingezogen werden.
Normenkette
BGB § 1095; FamFG § 352b; GBO §§ 18, 35
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1 gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Villingen-Schwenningen vom 08.05.2023 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Eigentümerin des Grundstücks, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, begehrt die Löschung eines auf ihrem Grundstück (Grundbuch von ... Blatt ..., Flurst. Nr. ..., ...) lastenden dinglichen Vorkaufsrechts.
Der am 29.11.1990 verstorbene Erblasser G. wurde aufgrund eigenhändigen gemeinschaftlichen Testaments vom 08.10.1965 zunächst von seiner Ehefrau, der am 11.10.2018 verstorbenen ..., als befreite Vorerbin und sodann nach Eintritt des Nacherbfalls zu gleichen Teilen von den gemeinschaftlichen Kindern F., C., M. und I. beerbt. F. ist am 06.05.2023 verstorben; er wurde von seiner Ehefrau E. beerbt.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 04.04.1973 (Notariat II Waldshut, II H 433/73; s. Grundakten) veräußerte die Gemeinde H. das neugebildete Baugrundstück Lgb. Nr. ... an den Erblasser G. und dessen Ehefrau E. zu je einem Viertel und an deren Sohn F. zu hälftigem Miteigentumsanteil. F. räumte dabei seinen Eltern ein gemeinschaftliches, dingliches Vorkaufsrecht an seinem hälftigen Miteigentumsanteil ein, das vererblich sein und für alle Verkaufsfälle gelten sollte (s. § 7 Abs. 2 der Urkunde).
Mit Antrag vom 02.05.2022 beantragte die Eigentümerin - vertreten durch die Gesellschafter - unter Beifügung des entsprechenden notariell beglaubigten Grundbuchantrags vom 06.04.2022 beim Grundbuchamt unter anderem die Löschung des in Abt. II unter lfd. Nr. 3 zugunsten des Erblassers G. und seiner Ehefrau E. gebuchten dinglichen Vorkaufsrechts.
Mit Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 GBO vom 08.05.2023 hat das Amtsgericht - Grundbuchamt - Villingen-Schwenningen hinsichtlich des Antrags auf Löschung des Vorkaufsrechts auf das Fehlen des Nachweises der Nacherbenstellung (nach G.) durch Vorlage eines Erbscheins (§ 35 Abs. 1 GBO) hingewiesen, was der Löschung als Hindernis entgegenstehe. Zur Behebung dieses Hindernisses hat das Grundbuchamt eine Frist bis zum 12.06.2023 bewilligt und im Falle des ergebnislosen Fristablaufs die kostenpflichtige Zurückweisung des Antrags angekündigt. Zur Begründung hat das Grundbuchamt unter anderem ausgeführt, das zur Löschung beantragte Vorkaufsrecht sei gemäß der Bewilligung des Rechts vererblich und zudem für alle Verkaufsfälle bestellt. Zwar sei das für eine natürliche Person bestellte Vorkaufsrecht grundsätzlich von Gesetzes wegen weder vererblich noch übertragbar (§§ 1098 Abs. 1 Satz 1, 473 Satz 1 BGB), es könnten jedoch abweichende Bestimmungen durch die Beteiligten getroffen werden, welche grundsätzlich im Grundbuch eingetragen werden müssten; die Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung genüge der Eintragung der Vererblichkeit jedoch. Das Recht sei auch nicht deswegen erloschen, weil es auf einem Miteigentumsanteil lastet, der als solcher nicht mehr im Grundbuch existent sei. § 1095 BGB stehe dem Fortbestand eines Vorkaufsrechts nicht entgegen, wenn das Vorkaufsrecht einmal wirksam an einem Miteigentumsanteil entstanden sei. Das Verbot des § 1095 BGB beziehe sich nur auf den erstmaligen Entstehungszeitpunkt; nachträgliche Änderungen berührten den Bestand des Vorkaufsrechts nicht. Erwirbt ein Miteigentümer die übrigen Miteigentumsanteile, entstehe in der Person des Erwerbers ein einziger Miteigentumsanteil; das bestehende Vorkaufsrecht erfasse dann nur einen fiktiven Teil des nunmehr verbundenen Miteigentumsanteils. Da das Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle bestellt sei, erlösche es - anders als ein lediglich schuldrechtliches Vorkaufsrecht - auch nicht, wenn der Berechtigte es in einem Einzelfall nicht ausübe. Der Berechtigte könne dann vielmehr bei einem Verkauf durch den neuen Eigentümer zugreifen. Da das Recht nach allem nicht erloschen sei, bedürfe es daher der Bewilligung der Nacherben des verstorbenen G. Diese hätten ihre Nacherbenstellung durch Erbschein nachzuweisen. Der vorgelegte Erbschein nach...