Leitsatz (amtlich)

1. Die Überprüfung einer Kinderschutzmaßnahme nach § 166 Abs. 2 FamFG stellt ein (formloses) Vorprüfungsverfahren dar, das auf die Frage ausgerichtet ist, ob ein Abänderungsverfahren nach § 166 Abs. 1 FamFG, § 1696 Abs. 2 BGB einzuleiten ist.

2. Die nähere Ausgestaltung des Vorprüfungsverfahrens, insbesondere Art und Ausmaß der Tatsachenermittlung, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Die gerichtlichen Ermittlungen können sich in der Einholung einer Stellungnahme beim Jugendamt und ggf. beim Vormund oder Pfleger erschöpfen.

3. Die Verfahrensvorschriften für Kindschaftssachen - insbesondere die für die Erstentscheidungen zwingenden Anhörungsregelungen - gelten für dieses Vorprüfungsverfahren nicht.

4. Besteht nach den gerichtlichen Ermittlungen kein Abänderungsbedarf, wird das Verfahren in der Regel durch formlosen Vermerk beendet. Erst wenn sich im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens ein möglicher Abänderungsbedarf ergeben hat, wird unter Vergabe eines neuen Aktenzeichens ein Abänderungsverfahren nach § 166 Abs. 1 FamFG, § 1696 Abs. 2 BGB geführt.

 

Verfahrensgang

AG Heidelberg (Aktenzeichen 33 F 50/23)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Vaters F. B. gegen den Beschluss des Amtsgerichtes - Familiengericht - Heidelberg vom 31.03.2023, Az. 33 F 50/23, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Vater.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die durch den Vater angeregte Abänderung einer kinderschutzrechtlichen Maßnahme für die Kinder Z. J. B., geboren am ... (im Folgenden Z.), und P. J. B., geboren am ... (im Folgenden P.).

Die beiden betroffenen Kinder sind aus der Ehe von M. B. (im Folgenden: Mutter) und F. B. (im Folgenden: Vater) hervorgegangen.

Die Eltern lebten seit 30.12.2018 getrennt. Anlass der Trennung war, dass der Vater der Mutter im Rahmen einer Auseinandersetzung am 30.12.2018 so heftig mit der Hand ins Gesicht geschlagen hatte, dass diese einen Nasenbeinbruch und eine unnatürliche Einkerbung auf dem Nasenrücken erlitten hatte. Nachdem die Stadt E. durch Verfügung vom 02.01.2019 ein Aufenthalts- und Betretungsverbot für die zuvor gemeinsam genutzte Wohnung erlassen hatte, wies das Amtsgericht - Familiengericht - Heidelberg durch Beschluss vom 13.02.2019 (Az. 33 F 5/19) im Wege der einstweiligen Anordnung die Ehewohnung nach § 2 GewSchG der Mutter zu und erließ Schutzanordnungen nach § 1 GewSchG.

Nach der Trennung wurden die Kinder im Haushalt der Mutter betreut und versorgt. Umgangskontakte mit dem Vater fanden regelmäßig statt. In dem Umgangsverfahren des Amtsgerichtes - Familiengericht - Heidelberg (Az. 33 F 61/19) kamen die Eltern am 06.06.2019 überein, dass die Kinder im Wechselmodell betreut werden sollten, sobald der Vater eine geeignete Wohnung gefunden habe. Im Jahr 2020 wurde bei der Mutter eine Krebserkrankung diagnostiziert; am 07.04.2021 verstarb diese infolge eines Suizids.

Beide Kinder leben seit Ende 2019 in verschiedenen stationären Jugendhilfeeinrichtungen. Z. lebt seit November 2019 im P.heim in H. und P. seit Oktober 2019 im Kinder- und Jugendhaus in D.

Mit Schreiben vom 08.08.2019 rief das Jugendamt nach § 8a Abs. 3 SGB VIII das Familiengericht an (Verfahren des Amtsgerichts - Familiengericht - Heidelberg, Az. 33 F 103/19). Die Eltern seien nicht in der Lage, die Bedürfnisse ihrer Kinder zu sehen und dem Wohl ihrer Kinder entsprechend zu handeln. Das Verhältnis der Eltern sei geprägt von gegenseitigen Vorwürfen, Abwertungen und einem impulsiven Umgangston. Die Kinder seien den andauernden Streitigkeiten der Eltern hilflos ausgeliefert, erführen einen hohen Druck und würden massive Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Die Eltern seien nicht in der Lage, die durch sie selbst ausgelöste emotionale Not ihrer Kinder wahrzunehmen. Die eingeleitete Jugendhilfemaßnahme in Form einer Sozialpädagogischen Familienhilfe führe zu keiner Veränderung. Der Vater wirke nicht mit und beeinflusse die Kinder gegen die Mutter. Die Mutter sei mit der familiären Situation überfordert und reagiere hilflos.

Durch Beschluss des Amtsgerichtes - Familiengericht Heidelberg vom 25.10.2019 (Az. 33 F 123/19) wurde den Eltern im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Beantragung öffentlicher Hilfen, das Recht zur Regelung schulischer Angelegenheiten, das Recht zur Gesundheitssorge sowie das Umgangsbestimmungsrecht für die Kinder entzogen und Ergänzungspflegeschaft angeordnet. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass Z. massive Verhaltensauffälligkeiten mit angedrohten Suizidversuchen zeige, weswegen sie in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in H. stationär aufgenommen worden sei. P. sei sowohl gegen die Mutter als auch gegen seine Schwester gewalttätig und zeige aggressives, oppositionelles Verhalten. Die Mutter sei zwar mitwirkungsbereit und stehe der durch die Fachkräfte empfohlenen stationären Unterbringung der Kinder aufgeschl...

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