Leitsatz (amtlich)
Zu den Aktiv- und Passivpositionen bei der Bestimmung des Streitwertes in Ehesachen (Scheidungsverfahren).
Normenkette
GKG § 12 Abs. 2, § 25 Abs. 3; BRAGO § 9 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Kehl (Aktenzeichen 1 F 16/01) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegnervertreters (Rechtsanwalt Dr. …, … B.) wird der Beschluss des AG – FamG – Kehl vom 19.10.2001 (1 F 16/01) unter Aufrechterhaltung im Übrigen wie folgt geändert:
Der Streitwert für die Ehescheidung wird auf 4.272 DM festgesetzt.
2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Beiden Parteien war in ihrem Scheidungsverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und durch Beschluss vom 19.10.2001 der Streitwert wie folgt festgesetzt worden:
Ehescheidung 4.000 DM
Versorgungsausgleich 3.302 DM.
Der Antragsgegner hat in der mündlichen Verhandlung seine durchschnittlichen monatlichen Einkünfte mit 3.200 DM netto angegeben. Er hat Kreditverbindlichkeiten mit monatlichen Raten i.H.v. insgesamt 838 DM zu bedienen. Für Fahrtkosten zu seiner Arbeitsstelle entstehen monatliche Unkosten i.H.v. rund 478 DM. Die Antragstellerin bezieht Hilfe zum Lebensunterhalt. Aus der Ehe der Parteien sind zwei minderjährige Kinder hervorgegangen. Ein Kind lebt bei der Antragstellerin, das andere beim Antragsgegner.
Gegen die Wertfestsetzung für die Ehescheidung auf 4.000 DM wendet sich der Antragsgegnervertreter mit seiner Beschwerde. Er ist der Ansicht, der Streitwert für das Ehescheidungsverfahren habe dem dreifachen monatlichen Nettoeinkommen der Parteien zu entsprechen. Für unterhaltsberechtigte Kinder sei kein Abzug vorzunehmen, da Kindesunterhalt jeweils nicht gezahlt werde.
Das FamG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Es hat zur Begründung seiner Nichtabhilfeentscheidung ausgeführt, die Festsetzung des Mindeststreitwertes sei hier indiziert, da beiden Parteien Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung gewährt worden sei. Zu berücksichtigen sei, dass die Antragstellerin Sozialhilfe beziehe, der Antragsgegner Kreditraten zu tilgen habe, bei ihm Fahrtkosten zu seiner Arbeitsstelle anfielen und der Antragsgegner den Unterhalt für die bei ihm lebende Tochter finanzieren müsse. Beachtet werden müsse auch, dass der Aufwand in diesem Verfahren durchschnittlich gewesen sei, da lediglich der Versorgungsausgleich als Folgesache zu regeln gewesen wäre.
II. Die nach §§ 9 Abs. 2 BRAGO, 25 Abs. 3 GKG zulässige Beschwerde des Antragsgegnervertreters hat in der Sache zum Teil Erfolg. Sie führt zu einer Erhöhung des Streitwertes für das Ehescheidungsverfahren von 4.000 DM auf 4.272 DM.
Nach § 12 Abs. 2 S. 1 GKG i.V.m. § 9 Abs. 1 BRAGO ist in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten der Wert des Streitgegenstandes unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfanges und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. In Ehesachen ist (für die Einkommensverhältnisse) das in 3 Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute maßgebend, wobei ein Mindestwert von 4.000 DM zu beachten ist (§ 12 Abs. 2 S. 2, S. 4 GKG).
Bei der Festsetzung des Streitwertes für die Ehescheidung ist für die Antragstellerin kein Einkommen anzusetzen, da der Bezug von Sozialleistungen kein für die Streitwertfestsetzung in einer Ehesache relevantes Einkommen i.S.v. § 12 Abs. 2 S. 2 GKG darstellt (OLG Celle FamRZ 2000, 1520; Schneider, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rz. 1062; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 3 Rz. 16, Stichwort „Ehesachen”, jew. m.w.N.).
Deshalb ist allein von den monatlichen Einkünften des Antragsgegners auszugehen, die dieser im Termin zur mündlichen Verhandlung mit 3.200 DM angegeben hat. Diesen Einkünften ist das staatliche Kindergeld für die beiden ehegemeinsamen Kinder (monatlich 540 DM) hinzuzurechnen (vgl. Markl/Meyer, GKG, 4. Aufl., § 12 Rz. 20).
Abzuziehen vom Einkommen des Antragsgegners ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine monatliche Pauschale von 500 DM für jedes unterhaltsberechtigte Kind (s. auch Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rz. 1075 m.w.N.; OLG Karlsruhe v. 6.4.1998 – 2 WF 169/97, FamRZ 1999, 606 = OLGReport Karlsruhe 1999, 124; Johannsen/Henrich/Thalmann, Eherecht, 3. Aufl., § 621 Rz. 7).
Weiterhin in Abzug zu bringen sind die vom Antragsgegner zu erbringenden Kreditraten. Die Berücksichtigung von Schuldverbindlichkeiten bei der Streitwertfestsetzung ist umstritten (vgl. zum Meinungsstand Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rz. 79 ff.). Der Senat schließt sich der von Schneider vertretenen Auffassung an, dass eine prozentuale oder irgendwie relativierte Berücksichtigung von Schulden und Verbindlichkeiten nicht praktikabel ist. Mit der Tendenz des Gesetzgebers, das Streitwertfestsetzungsverfahren möglichst unkompliziert und rasch ablaufen zu lassen, ist sie nicht zu vereinbaren. Deshalb sind Schulden ohne Rücksicht auf ihre Höhe, ihren Entstehungsgrund oder auf einen vorhandenen Gegenwert streitwertmindernd zu berücksichtigen...