Leitsatz (amtlich)

1. Legt der die Scheidung beantragende Ehegatte keine Einkommensnachweise vor, kann auf seine Angaben in der Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse zurückgegriffen werden.

2. Im Verlaufe des Verfahrens eintretende Einkommensverluste beeinflussen den Streitwert nicht.

3. Der Kinderfreibetrag ist auch für ein erst nach Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens geborenes Kind abzusetzen, wenn die Schwangerschaft den Lebenszuschnitt der Parteien vor Anhängigkeit des Scheidungsantrags geprägt hat.

 

Normenkette

GKG § 12 Abs. 2 S. 2

 

Tenor

Auf die Beschwerde von Frau Rechtsanwältin M., S. wird der Streitwertbeschluss des AG – FamG – S. vom 1.3.2001 (20 F 38/00) aufgehoben und der Streitwert für die Ehescheidung auf 11.220 DM = 5.737 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführerin hat die Antragstellerin in deren beim FamG S. geführten Ehescheidungsverfahren vertreten. Die am 6.9.1996 geschlossene Ehe der Parteien ist auf den im Januar 2000 bei Gericht eingereichten Antrag und nach Anhörung der Parteien durch Urt. v. 30.1.2001 (AS. 77) geschieden worden. Im gleichen Urteil wurde der Versorgungsausgleich geregelt und die elterliche Sorge für das nach Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens am 4.4.2000 geborenen Kindes M. und M. auf die Kindesmutter übertragen.

Das FamG hat dem Antragsgegner mit Beschluss vom 13.6.2000 Prozesskostenhilfe mit monatlicher Ratenzahlung von 90 DM und der Antragstellerin mit Beschluss vom 7.9.2000 ratenfreie Prozesskostenhilfe gewährt. Auf Antrag des Antragsgegners erging am 8.12.2000 ein Abänderungsbeschluss dahingehend, dass die Ratenzahlungsverpflichtung ab Dezember 2000 entfällt.

Der Antragsgegner hat in seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 13.4.2000 ein Nettoeinkommen von rund 1.750 DM angegeben und belegt. Die Antragstellerin hat in ihrer Erklärung vom 22.4.2000 über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angegeben, durch die Geburt des Sohnes M. arbeitsunfähig zu sein und ein bis dahin bezogenes Nettogehalt von mehr als 2.500 DM nachgewiesen.

Das FamG hat mit Beschluss vom 1.3.2001 (AS. 101) die Streitwerte für das Verfahren, ohne weitere Begründung, wie folgt festgesetzt:

1. für die Ehescheidung auf 4.000 DM

2. für den Versorgungsausgleich 1.000 DM

3. für die elterliche Sorge auf 1.500 DM

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer am 11.3.2001 eingegangenen Beschwerde (AS. 103) gegen die Festsetzung des Streitwerts für das Ehescheidungsverfahren und erstrebt die Festsetzung auf einen Betrag von 15.000 DM. Bei Einreichung des Scheidungsantrags hätten die Parteien jeweils ein gleich hohes Einkommen von 2.500 DM netto erzielt. Das während des Ehescheidungsverfahrens geboren Kind sei nicht zu berücksichtigen.

Der Antragsgegner ist der Streitwertsbeschwerde nicht entgegengetreten.

Mit Beschluss vom 23.5.2001 (AS. 115) hat das FamG der Beschwerdeführerin aufgegeben, die behaupteten durchschnittlichen Nettoeinkommen der Eheleute binnen zwei Wochen nachzuweisen. Ein Nachweis wurde nicht vorgelegt. Mit Beschluss vom 31.7.2001 (AS. 117) hat das FamG der Beschwerde nicht abgeholfen, da die Auflage, das behauptete Nettoeinkommen nachzuweisen, nicht erfüllt worden sei, und das Verfahren dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die gem. § 9 Abs. 2 S. 1 BRAGO, § 25 Abs. 3 GKG, § 567 ZPO, jeweils in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung (§ 26 Nr. 10 EGZPO, § 73 GKG, § 134 BRAGO) zulässige Beschwerde ist in der Sache auch erfolgreich.

Der Beschwerdewert ist unproblematisch erreicht, da bereits die Differenz der einzelnen Anwaltsgebühren bei einem Streitwert von 6.500 DM im Vergleich zu einem Streitwert von 17.500 DM/85 DM (Tabelle des § 123 BRAGO) beträgt.

Das FamG hat die vorliegende Ehesache der Parteien gem. § 12 Abs. 2 S. 1, S. 2 GKG mit 4.000 DM ermessensfehlerhaft nicht ausreichend bewertet. Zwar hat die Beschwerdeführerin auf die Aufforderung durch das FamG keine Nachweise über das bei Einreichung des Scheidungsantrages erzielte Einkommen vorgelegt. Das FamG hätte jedoch auf die ihm zur Kenntnis gegebenen Angaben der Parteien in den Anwaltsschriftsätzen und in ihren jeweiligen Erklärungen zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen zurückgreifen müssen. Insofern liegt dem Streitwertbeschluss des FamG eine fehlerhafte, mangels Begründung auch nicht nachprüfbare, Ermessensausübung zu Grunde (vgl. Lappe, Kosten in Familiensachen, 5. Aufl., Rz. 11, 109). Bereits bei Einreichung des Scheidungsantrags waren die Einkünfte der Parteien mit jeweils 2.500 DM angegeben worden. Die Antragstellerin hat ein Einkommen in mindestens dieser Höhe belegt, wohingegen der Antragsgegner ein Nettoeinkommen von 1.740 DM im April 2001 nachgewiesen hat. Bei dieser Sachlage bestand keine Veranlassung, der Beschwerdeführerin die Beibringung eines Verdienstnachweises aufzuerlegen. Hierbei muss auch gesehen werden, dass die Beschwerdeführerin kaum eine Handhabe hat, ihre Mandantin und noch viel weniger den Antragsgegner zur Übermittlung entsprechender Beleg...

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