Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeitsbestimmung bei einem negativen Kompetenzkonflikt

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Zuständigkeitsbestimmung bei einem negativen Kompetenzkonflikt setzt "rechtskräftige" Unzuständigerklärungen der beteiligten Gerichte voraus. Daran fehlt es, wenn ein Rechtspfleger an Stelle des funktionell zuständigen Richters die gerichtliche Entscheidung getroffen hat.

 

Normenkette

RPflG § 8 Abs. 4; ZPO § 36 Abs. 1 Ziff. 6, § 946 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

2. Die Akten werden an das Landgericht Freiburg zurückgegeben.

 

Gründe

I. Die Gläubigerin hat am 06.12.2017 beim Amtsgericht Stuttgart - Mahngericht - einen Vollstreckungsbescheid gegen den in Italien wohnhaften Schuldner erwirkt. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 19.04.2018 hat die Gläubigerin den Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Kontopfändung und die Einholung von Kontoinformation im Wohnsitz- und Vollstreckungsmitgliedsstaat des Schuldners gemäß § 946 Abs. 1 ZPO i. V. m. den Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 beantragt. Mit Verfügung vom 06.08.2018 hat das Landgericht Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit geäußert. Die Gläubigerin hat zwar an ihrer Auffassung festgehalten, dass das Landgericht Freiburg örtlich zuständig sei; mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 15.08.2018 hat sie jedoch "zur Vermeidung von Rechtsnachteilen für die Kläger" Verweisung an das nach Auffassung des Landgerichts Freiburg zuständige Amtsgericht Stuttgart beantragt. Mit Beschluss vom 11.09.2018 hat das Landgericht Freiburg sich sodann durch die Einzelrichterin für sachlich und örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren auf Antrag der Gläubigerin an das Amtsgericht Stuttgart verwiesen. In dieser Entscheidung hat das Landgericht seine Auffassung zur Zuständigkeit ausführlich begründet.

Die Gläubigerin hat gegenüber dem Amtsgericht Stuttgart an ihrer Auffassung festgehalten, wonach das Landgericht Freiburg und nicht das Amtsgericht - Mahngericht - Stuttgart sachlich und örtlich zuständig sei. Mit Beschluss vom 22.10.2018 hat das Amtsgericht Stuttgart - Mahnabteilung - durch die Amtsinspektorin P. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle sich für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Freiburg zurückverwiesen. Die Auffassung des Landgerichts Freiburg zur Zuständigkeit sei unzutreffend; zuständiges "Gericht der Hauptsache" im Sinne von § 946 Abs. 1 ZPO sei das Landgericht Freiburg.

Das Landgericht Freiburg hat mit Beschluss der Einzelrichterin vom 19.10.2018 an seiner Rechtsauffassung zur Zuständigkeit festgehalten und die Akten dem Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - zur Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO vorgelegt.

Die Gläubigerin hat im Gerichtsstandsbestimmungsverfahren am 10.11.2018 ergänzend schriftsätzlich Stellung genommen. Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass das Landgericht Freiburg sachlich und örtlich zuständig sei.

II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO liegen nicht vor.

1. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - zur Entscheidung im Gerichtsstandsbestimmungsverfahren ergibt sich aus § 36 Abs. 2 ZPO.

2. Eine Entscheidung des Senats gemäß § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO setzt voraus, dass sich zwei Gerichte "rechtskräftig für unzuständig erklärt haben". Diese Voraussetzung ist nicht gegeben. Es liegt zwar eine Unzuständigerklärung des Landgerichts Freiburg vor. Jedoch fehlt eine "rechtskräftige" Unzuständigerklärung des Amtsgerichts Stuttgart.

Zwar kommt es für eine Unzuständigerklärung im Sinne von § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO nicht auf die "Rechtskraft" einer Entscheidung im Sinne des Prozessrechts an. Erforderlich ist jedoch eine Entscheidung des beteiligten Gerichts, die unanfechtbar und verbindlich ist (vgl. Zöller/Schultzky, Zivilprozessordnung, 32. Auflage 2018, § 36 ZPO Rn. 35 mit Rechtsprechungsnachweisen). Diesen Anforderungen entspricht der Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 22.10.2018 nicht. Die Entscheidung ist unverbindlich und wirkungslos.

Die Entscheidung wurde von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle getroffen in Wahrnehmung von Rechtspflegeraufgaben gemäß § 1 Abs. 1 Ziffer 4 der Verordnung des Justizministeriums Baden-Württemberg zur Übertragung von Rechtspflegeraufgaben auf den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 13. September 2013. Die Unwirksamkeit des Geschäfts ergibt sich aus § 8 Abs. 4 Rechtspflegergesetz. Denn es gibt - was in der Entscheidung des Landgerichts Freiburg vom 11.09.2018 zutreffend berücksichtigt wurde - bei einer Entscheidung gemäß § 946 Abs. 1 ZPO keine funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers. Da eine Vorschrift zur Übertragung der Entscheidung auf den Rechtspfleger fehlt, bleibt der Richter zuständig.

3. Da die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nicht vorliegen, sind die Akten an das Landgericht Freiburg zurückzugeben. Dieses kann die Akten auf Grund der Verwei...

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