Leitsatz (amtlich)
Zu den Kosten der Prozessführung im Sinne von § 115 Abs. 4 ZPO zählen die voraussichtlichen Gerichtskosten in der laufenden Instanz auch dann, wenn sie für die Partei, die Prozesskostenhilfe beantragt, noch nicht fällig sind. Demgegenüber sind die in vorausgegangenen Instanzen entstandenen Verfahrenskosten nicht zu berücksichtigen, wenn die Prozesskostenhilfe begehrende Partei mit ihnen tatsächlich nicht belastet ist.
Tenor
1. Dem Kläger wird für den zweiten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt. Zur Wahrnehmung seiner Rechte wird ihm Rechtsanwalt [...] beigeordnet.
2. Der Kläger hat monatliche Raten von 1.227 Euro auf die Prozesskosten an die Landeskasse zu zahlen.
Gründe
Dem Kläger ist für den zweiten Rechtszug Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt [...] zu bewilligen (§§ 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 119 Abs. 1 Satz 1, 121 Abs. 1, Abs. 3 ZPO). Dabei ist anzuordnen, dass der Beklagte monatliche Raten von 1.227 Euro auf die Prozesskosten an die Landeskasse zu zahlen hat (§§ 115, 120 ZPO).
1. Die Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung sind für den Kläger als dem Berufungsbeklagten nicht zu prüfen (vgl. § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
2. Nach den von dem Kläger mitgeteilten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen verfügt er über ein einzusetzendes Einkommen von 1.527,33 Euro [...]. Daraus ergeben sich monatliche Raten in Höhe von 1.227 Euro (§ 115 Abs. 2 ZPO).
3. § 115 Abs. 4 ZPO steht der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht entgegen. Die Kosten der Prozessführung im Sinne dieser Vorschrift belaufen sich auf 7.530,64 Euro und übersteigen damit das Vierfache der angeordneten Ratenhöhe. Zwar sind die erstinstanzlich bereits entstandenen Kosten hierbei jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation nicht zu berücksichtigen, wohl aber die in der Berufungsinstanz voraussichtlich entstehenden Rechtsanwaltskosten des Klägervertreters sowie die in der Berufungsinstanz anfallenden Gerichtsgebühren.
a) Der Senat kann offenlassen, ob im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 115 Abs. 4 ZPO für die zweite Instanz auch die erstinstanzlich bereits entstandenen Kosten zu berücksichtigen sind (so Fischer, in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 115 Rn. 56; Kießling, in: Saenger, ZPO, 9. Aufl. 2021, § 115 Rn. 53 Dölling, NJW 2016, 207 ff.) oder ob nicht (so OLG Karlsruhe, Beschluss v. 29.1.2009, 2 UF 102/08, NJW-RR 2009, 1233, 1235 f.; OLG Hamm, Beschl. v. 24.10.2013, II-2 WF 199/13, NJOZ 2014, 1098; siehe auch Groß in: ders., Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe, 14. Aufl. 2018, § 115 ZPO Rn. 135) und in welcher Weise das ggf. zu erfolgen hat. Denn jedenfalls in der vorliegenden Sonderkonstellation, in der dem Kläger für die erste Instanz Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlung bewilligt worden ist, in der die Raten jedoch ausweislich der von dem Kläger vorgelegten Unterlagen von seiner Ehefrau getragen werden, können diese Gerichtskosten keine Beachtung finden. Der Kläger ist mit diesen Gerichtskosten faktisch nicht belastet. Er steht insoweit einem Antragsteller gleich, dem für die erste Instanz ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt wurde (vgl. dazu OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.2.2020, 13 UF 71/15; Schultzky, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 115 Rn. 100).
b) Anzusetzen sind demgegenüber die für die zweite Instanz zu erwartenden Rechtsanwaltskosten auf Seiten des Klägers, die sich bei dem Gegenstandswert von 63.219,65 Euro - inklusive Auslagenpauschale und Umsatzsteuer - auf 4.598,64 Euro belaufen. Bezüglich dieser Rechtsanwaltskosten besteht gemäß § 9 RVG ein Anspruch des Prozessbevollmächtigten des Klägers auf einen angemessenen Vorschuss, der ggf. auch in voller Höhe des zu erwartenden Vergütungsanspruchs geltend gemacht werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2003, IX ZR 109/00, NJW 2004, 1043, 1047). Demzufolge ist es in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die eigenen Rechtsanwaltskosten der jeweiligen Instanz im Rahmen des § 115 Abs. 4 ZPO zu berücksichtigen sind, sofern die Voraussetzungen der Beiordnung eines Rechtsanwalts - wie hier - gegeben sind (vgl. nur OLG Celle, Beschluss vom 13.1.2012, 10 WF 8/12; BayVGH, Beschluss vom 25.1.2019, 22 C 18.2625; Fischer, in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 115 Rn. 56; Kießling, in: Saenger, ZPO, 9. Aufl. 2021, § 115 Rn. 53). Der Betrag von 4.598,64 Euro alleine übersteigt das Vierfache der monatlichen Rate jedoch nicht.
c) Darüber hinaus sind aber auch die für die zweite Instanz zu erwartenden Gerichtsgebühren von 2.932 Euro in die Berechnung mit einzustellen. Dass diese Gerichtsgebühren gegenüber dem Kläger als dem Berufungsbeklagten derzeit (noch) nicht fällig sind (vgl. § 6 Abs. 1 GKG), steht dem nicht entgegen.
Für den fehlenden Ansatz dieser dem Kläger - wenn überhaupt - erst in Zukunft zur Last fallenden Gerichtskosten spricht zwar, dass die Prozesskostenhilfe den Zweck hat, bedürftigen Personen überhaupt den Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen, während der nicht vorschusspflichtigen Part...