Entscheidungsstichwort (Thema)
Erforderliche Angaben im Prozesskostenhilfeverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Hat eine Partei erst in der letzten mündlichen Verhandlung, in der auch die Endentscheidung verkündet wird, ein Prozesskostenhilfegesuch gestellt, jedoch entgegen § 117 Abs. 2 ZPO keine (vollständigen) Belege vorgelegt, so ist auch nach Abschluss der Instanz noch eine Bewilligung möglich. Dabei sind nur solche Angaben zu berücksichtigen, die - auch ohne Vorlage von Belegen - in geeigneter Weise glaubhaft gemacht worden sind.
2. Mit einem Gesuch um Prozesskostenhilfe hat die Parteien auch zu erläutern, warum ihr ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss nicht zusteht; die dazu behaupteten Tatsachen sind glaubhaft zu machen (Anschluss an OLG Celle, Beschl. v. 5.5.2006 - 17 WF 60/06 - juris).
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 3, § 117 Abs. 2 S. 1, § 118 Abs. 2 S. 4
Verfahrensgang
AG Mannheim (Beschluss vom 19.08.2005; Aktenzeichen 5E F 35/04) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des AG - FamG - Mannheim vom 19.8.2005 wird zurückgewiesen.
Gründe
(nicht dem Antragsgegner mitzuteilen):
I. Die Antragstellerin hat in der abschließenden mündlichen Verhandlung, in welchem über ihren Scheidungsantrag verhandelt, und auf welche am Schluss das Endurteil verkündet wurde, nach Antragstellung und Anhörung der Parteien (§ 613 ZPO) und vor Erörterung der elterlichen Sorge und des Versorgungsausgleichs Prozesskostenhilfe beantragt und eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse übergeben. In dieser sind unter "G. Bank ..., Giro ..., Sparkonten u. dergl." die Antworten für Nein und Ja beide angekreuzt. Die Wohnkosten sind nicht aufgeschlüsselt; nur der Zahlbetrag von 450 EUR ist angegeben. Belege wurden nicht übergeben. Im Protokoll heißt es: " Die Antragstellervertreterin überreicht handschriftlichen PKH-Antrag mit amtlichem PKH-Vordruck ohne Anlagen zur Akte. Die Unterlagen werden ohne jedes Präjudiz und unter dem Vorbehalt der späteren Sachprüfung entgegengenommen. Die Antragstellervertreterin erklärt: Belege werden in Kopie bis zum 29.4.2005 (Eingang bei Gericht) zum PKH-Heft nachgereicht." Am 29.4.2005 ließ die Antragstellerin eine in weiten Strecken kaum leserliche Kopie einer Verdienstabrechnung für - soweit leserlich - März 2005 und einen Mietvertrag einreichen sowie erklären, dass im Vordruck versehentlich die Position Girokonto nicht angekreuzt worden sei. Die Antragstellerin verfüge "wie auch aus der Prozesskostenhilfeakte ersichtlich über ein Girokonto bei der Volksbank ..., auf das der Unterhalt, das Gehalt und das Kindergeld (fließe). Das Sparbuchguthaben bei dieser Bank (sei) zwischenzeitlich aufgebraucht."
Das AG hat Prozesskostenhilfe mit der Begründung versagt, die "PKH-Unterlagen (seien) zu spät (eingegangen) (am 29.4.2005), d.h. nach Schluss der mündlichen Verhandlung und unvollständig (nur 1 Gehaltsnachweis - nicht Beleg -)"
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
II.1. Prozesskostenhilfe darf nur für ein bevorstehendes oder laufendes Verfahren bewilligt werden (Senatsbeschluss v. 6.10.2003 - 16 WF 161/03 - FamRZ 2004, 1217 = OLGR 2004, 290; OLG Karlsruhe Beschl. v. 16.3.2006 - 20 WF 28/06 - FamRZ 2006, 874). Voraussetzung für eine Bewilligung noch nach Abschluss des Verfahrens ist, dass der Bewilligungsantrag während des Verfahrens zu einem Zeitpunkt, zu dem noch Gebühren anfallen konnten (Senatsbeschluss vom 16.9.1994 - 16 WF 199/93 - FamRZ 1996, 1287; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.3.2006 - 20 WF 28/06 - FamRZ 2006, 874), gestellt, aber nicht verbeschieden wurde. Gestellt werden muss ein Antrag so, dass er auch, wie er gestellt ist, verbeschieden werden kann. Dies ist grundsätzlich nur dann der Fall, wenn ihm die vollständig ausgefüllte Erklärung über die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse und die in § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorgesehenen Belege beigefügt sind (vgl. bereits zum Armenrecht BGH, Beschl. v. 30.9.1981 - IVb ZB 694/80 - NJW 1982,446; zum Recht der Prozesskostenhilfe BGH, Beschl. v. 24.11.1999, XII ZB 134/99 - NJW - RR 2000, 879; BGH, Beschl. v. 9.10.2003 - IX ZA 8/03 - FamRZ 2004, 99; Beschl. v. 31.8.2005 - XII ZB 116/05 - FamRZ 2005, 1901; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.12.1993 - 2 WF 65/93 - FamRZ 1994, 1123, 1125; v. 22.4.1998 - 2 WF 37/98 - FamRZ 1999, 305; Beschl. v. 26.6.2003 - 18 WF 182/02 - FamRZ 2004, 122).
2. Allerdings hat das OLG Karlsruhe das Beifügen von Belegen nicht als Formerfordernis für ein ordnungsgemäßes Gesuch bezeichnet und deshalb deren Fehlen als unschädlich bezeichnet, wenn die Formularangaben ohnedies glaubhaft waren (Beschl. v. 15.1.1986 - 2 WF 186/85 - FamRZ 1986, 372); nicht glaubhafte Belastungen hat es dann außer Betracht gelassen und vermutbare Bezüge - Urlaubsgeld; Weihnachtsgeld - geschätzt (Senatsbeschluss vom 25.2.2003 - 16 WF 177/02 - juris; v. 25.9.2003 - 16 WF 43/03 - OLGR 2004, 188 = FamRZ 2004, 647 - Leitsatz...