Leitsatz (amtlich)
1.
Gegen die Ablehnung der Änderung der Reihenfolge mehrerer Strafvollstreckungen in Anwendung des § 43 StVollstrO ist - soweit es nicht um die von § 458 Abs. 2 StPO erfassten Fälle geht - der Rechtsweg gem. §§ 23 ff. EGGVG zum Oberlandesgericht eröffnet.
2.
Angesichts der in § 454 b Abs. 2 Satz 2 StPO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung hält es der Senat nicht für verfassungsrechtlich verboten, dass nach der in § 43 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 StVollstrO bestimmten Regel Strafreste, die aufgrund ihres Widerrufs vollstreckt werden, grundsätzlich vorab zu verbüßen sind.
3.
§ 454 b Abs. 2 Satz 2 StPO steht der erneuten Aussetzung widerrufener Strafreste gem. § 57 StGB - wenn dies prognostisch gerechtfertigt ist - nicht entgegen.
4.
Ein "wichtiger Grund" gem. § 43 Abs. 4 StVollstrO für eine eine von Abs. 2 und 3 dieser Vorschrift abweichende Reihenfolge der Vollstreckung liegt dann vor, wenn aufgrund einer Gesamtbeurteilung zumindest eine realistische, durch Tatsachen belegbare Chance dafür besteht, die Prognose werde sich noch vor Erreichen desjenigen Zeitpunktes, zu dem eine Aussetzung hinsichtlich der neuen Strafe auch dann in Betracht käme, wenn die alten Strafreste vorab verbüßt werden, zum Günstigen wenden. Hinsichtlich dieser Prognoseentscheidung ist der Vollstreckungsbehörde ein nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbarer Beurteilungsspielraum eingeräumt (im Anschluss an OLG Frankfurt NStZ-RR 2000, 282).
Tenor
Auf den Antrag des werden die Verfügung der Staatsanwaltschaft X. vom 27. Oktober 2000 und der Beschwerdebescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 7. Dezember 2000 aufgehoben.
Die Staatsanwaltschaft X. wird verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Von den außergerichtlichen Kosten des Antragstellers hat die Staatskasse die Hälfte zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller, der sich seit 12. November 1998 zunächst in Untersuchungshaft befunden hatte, verbüßte ab Eintritt der Rechtskraft am 28. Juli 1999 zunächst die Freiheitsstrafe von drei Jahren, die das Landgericht X. durch Urteil vom 20. Juli 1999 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gegen ihn verhängt hat. Mit Verfügung vom 14. Februar 2000 unterbrach die Staatsanwaltschaft X. als zuständige Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe zum Zwischenvollzug eines rechtskräftig seit 27. Dezember 1999 widerrufenen Strafrestes von 104 Tagen aus dem Urteil des Landgerichts H. vom 12. Oktober 1987. In Ergänzung dieser Verfügung ordnete die Staatsanwaltschaft X. am 1. März 2000 die Unterbrechung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe von drei Jahren auch zum Zwischenvollzug eines ebenfalls rechtskräftig seit 27. Dezember 1999 widerrufenen Strafrestes von 731 Tagen aus dem Urteil des Landgerichts H. vom 21. Juni 1991 sowie gem. § 454 b StPO zum Zweitdrittelzeitpunkt am 23. Februar 2003 zum Vollzug der Freiheitsstrafe von einem Jahr aus dem Urteil des Amtsgerichts H. vom 3. Juli 1995 an. Dementsprechend wurde in der Zeit vom 16. Februar bis zum 29. Mai 2000 der Strafrest von 104 Tagen aus der Verurteilung vom 12. Oktober 1987 vollstreckt. Seit dem 30. Mai 2000 läuft die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe von 731 Tagen aus dem Urteil vom 21. Juni 1991, und zwar - unter Zugrundelegung der von der Staatsanwaltschaft X. bestimmten Vollstreckungsreihenfolge - bis zum 30. Mai 2002. Im Anschluss hieran sind die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 20. Juli 1999 und sodann die aus der Verurteilung vom 3. Juli 1995 bis zum gemeinsamen Zweidrittelzeitpunkt (23. Oktober 2003) vorgesehen. Als Strafende nach vollständiger Verbüßung aller noch offener Freiheitsstrafen ist der 23. Februar 2005 notiert.
Den mit Schreiben seiner Verteidigerin vom 20. März 2000 gestellten Antrag des Verurteilten, unter Aufhebung der Verfügungen vom 14. Februar und 1. März 2000 anzuordnen, dass zunächst die Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 20. Juli 1999 bis zum Zweidrittelzeitpunkt erfolgt, lehnte die zuständige Rechtspflegerin der Staatsanwaltschaft X. mit Verfügung vom 23. März 2000 ab, da gem. § 454 b Abs. 2 Satz 2 StPO eine gemeinsame Prüfung der Strafaussetzung zur Bewährung gem. § 57 Abs. 1 und 2 StGB für Strafreste, die auf Grund Widerrufs ihrer Aussetzung zu vollstrecken sind, ausgeschlossen sei. Mit Schreiben seiner Verteidigerin vom 28. Juli 2000 beantragte der Verurteilte erneut, die mit den Verfügungen der Staatsanwaltschaft bestimmte Vollstreckungsreihenfolge dahingehend zu ändern, dass die laufende Strafvollstreckung zugunsten der Vollstreckung der Freiheitsstrafen aus den Urteilen vom 3. Juli 1995 und 20. Juli 1999 - jeweils bis zum Zweidrittelzeitpunkt - unterbrochen wird, um eine erneute Aussetzung auch des Strafrestes aus den Urteil vom 21. Juni 1991 zu ermöglichen, da er andernfalls gegenüber einem Mitverurteilten ungerechtfertigt schlechter gestellt würde. ...