Leitsatz (amtlich)
1. Für die Frage, ob ein geltend gemachter Anspruch eine Zivilsache im Sinne von Art. 1 Abs. 2 LugÜ darstellt oder die ehelichen Güterstände im Sinne von Art. 1 Abs. 2 LugÜ betrifft oder einen Anspruch, welcher dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen im Sinne von Art. 22 Nr. 1 LugÜ zum Gegenstand hat, ist auf den Hauptgegenstand des Anspruchs abzustellen.
2. Ein auf §§ 1365, 1368 BGB gestützter Anspruch auf dingliche Rückabwicklung eines Grundstückschenkungsvertrags bzw. auf Feststellung der Unwirksamkeit des zugrundeliegenden schuldrechtlichen und dinglichen Rechtsgeschäfts ist kein Anspruch aus ehelichen Güterständen im Sinne von Art. 1 Abs. 2 LugÜ, da er nach seinem Hauptgegenstand auf eine zivilrechtliche (konkret dingliche) Rechtsfolge gerichtet ist, bei der die Voraussetzungen des § 1365 BGB lediglich als Vorfrage zu prüfen sind. Dies gilt auch dann, wenn die Vorfrage gem. § 1365 BGB die wesentliche Streitfrage des Falles darstellt.
Verfahrensgang
AG Emmendingen (Aktenzeichen 1 F 244/18) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Emmendingen vom 03.01.2022 in Ziffer 1 des Tenors abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Hauptantrag und die Hilfsanträge der Antragstellerin werden als unzulässig verworfen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 411.613,70 EUR festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um eine Verfügung über das Vermögen im Ganzen.
Die Antragstellerin ist die Mutter der Antragsgegnerin. Sie nimmt im Wege der Verfahrensstandschaft (§ 1368 BGB) die Antragsgegnerin als Eigentümerin einer in D./Schweiz belegenen Eigentumswohnung auf Zustimmung zur Berichtigung des schweizerischen Grundbuchs in Anspruch. Hilfsweise beantragt sie die Feststellung, dass das dem Eigentumserwerb zugrundeliegende Verpflichtungs- bzw. das Verfügungsgeschäft unwirksam ist.
Im Jahr 1962 heirateten die Antragstellerin und S., beide deutscher Staatsangehörigkeit. Seit spätestens Mai 2005 leben sie getrennt. Es besteht Zugewinngemeinschaft. Aus der Ehe sind vier Kinder hervorgegangen, darunter die Antragsgegnerin (geboren 1964). Das Ehescheidungsverfahren ist seit 2018 anhängig, jedoch bisher noch nicht rechtshängig.
Am 17.12.2015 übertrug S. vor einem schweizerischen Notar schenkweise eine Eigentumswohnung in D. (Schweiz) an die Antragsgegnerin. Im Gegenzug räumte die Antragsgegnerin ihm ein lebenslanges Nutznießungsrecht ein. Bei der notariellen Beurkundung ließen sich S. und die Antragsgegnerin vertreten (I, 28). In dem Vertrag wurde unter anderem vereinbart: Alle sich aus oder im Zusammenhang mit dem vorliegenden Vertrag ergebenden Streitigkeiten, einschließlich solcher über sein gültiges Zustandekommen, werden ausschließlich durch die Gerichte am Ort des Vertragsobjektes beurteilt. Wegen der Einzelheiten wird auf den notariellen Vertrag Bezug genommen (I, 19 - 29).
In der Folge kam es zu Unstimmigkeiten zwischen S. und der Antragsgegnerin. Im April 2017 beantragte S. bei dem Regionalgericht P./D., das Grundbuch betreffend die Eigentumswohnung in D. zu sperren. Der beurkundete Vertrag weiche in relevanten Punkten von dem durch ihn genehmigten Entwurf, auf den sich seine Vollmacht bezogen habe, ab. Im Übrigen habe er bei der Übertragung über sein Vermögen im Ganzen verfügt. Mit Entscheid vom 23.10.2017 wies das Regionalgericht P./D. das Gesuch um Erlass vorsorglicher Maßnahmen (Grundbuchsperre) ab (I, 115). Zur Begründung führte es unter anderem aus, dass die Abweichungen im Vertrag von der Vollmacht S. nicht zum Nachteil gereichten und dass nicht ausreichend glaubhaft gemacht sei, dass die Wohnung in D. das Vermögen im Ganzen dargestellt habe.
Parallel hatte die Antragstellerin beim Amtsgericht - Familiengericht - Emmendingen ein einstweiliges Anordnungsverfahren (1 F 236/18) eingeleitet, gerichtet auf Eintragung eines Widerspruchs gegen das Eigentumsrecht der Antragsgegnerin in das schweizerische Grundbuch. Der Antrag wurde am 26.04.2019 abgewiesen.
Im vorliegenden Verfahren behauptet die Antragstellerin, dass die Eigentumswohnung in D. das Vermögen im Ganzen von S. dargestellt habe. Daher sei die Eigentumsübertragung gemäß § 1365 BGB unwirksam, was sie gemäß § 1368 BGB geltend mache.
Sie beantragte erstinstanzlich:
Die Antragsgegnerin wird verurteilt, ihre Zustimmung zur Grundbuchberichtigung in Form der Eintragungsbewilligung zu Gunsten von Herrn S. hinsichtlich des Stockwerkseigentums eingetragen in den Grundbüchern von D./Schweiz, Stockwerkseigentum ..., zu erteilen.
Hilfsweise beantragte sie:
Es wird festgestellt, dass das Verpflichtungsgeschäft zur schenkweisen Übertragung von Herrn S. an die Antragsgegnerin gemäß Vertrag auf Eigentums- und Dienstbarkeitsübertragung v. 17.12.2015 vor dem Notar Dr. K., D., unter der Reg. B/Nr. xx/2015 hinsichtlich des Stockwerkseigentums ..., unwirksam ist.
Des Weiteren beantragte...