Entscheidungsstichwort (Thema)

Freiheitsentziehungsverfahren auf Anordnung der Abschiebungshaft gegen

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Anforderungen an die Anordnung/Verlängerung von Sicherungshaft, wenn der Betroffene erst während der Haft Asylantrag gestellt hat.

 

Normenkette

AuslG § 57 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1, 4; AsylVfG § 14 Abs. 2, 4 S. 1 Nrn. 4-5

 

Tenor

1. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts … vom 22. Mai 2000 – 3 T 38/00 – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung – auch über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Betroffenen im Verfahren der weiteren Beschwerde – an das Landgericht … zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Der Betroffene ist algerischer Staatsangehöriger. Er reiste zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt – nach seinen Angaben etwa 5 Tage vor dem 16.02.2000 – ohne Pass und mit Hilfe einer Schleuserorganisation unter Umgehung der Grenzkontrollen von Polen aus in das Bundesgebiet ein, wo er am 16.02.2000 festgenommen wurde. Mit Verfügung der Stadt … vom selben Tage wurde der Betroffene aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und ihm die Abschiebung nach Algerien angedroht. Außerdem wurde gegen den Betroffenen mit Beschluss des Amtsgerichts … vom 16.02.2000 Abschiebungshaft für die Dauer von drei Monaten festgesetzt.

Am 02.03.2000 stellte der Betroffene einen förmlichen Asylantrag. Das Asylverfahren soll nach Auskunft der Ausländerbehörde seit dem 28.03.2000 abgeschlossen sein. Zur Beschaffung eines Passes ist die Vorführung des Betroffenen vor der zuständigen Vertretung Algeriens für den 26. bzw. 27.06.2000 vorgesehen.

Auf Antrag des Regierungspräsidiums ordnete … das Amtsgericht … mit Beschluss vom 12.05.2000 die Verlängerung der Abschiebungshaft um weitere drei Monate an. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen.

II.

Die zulässige sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen hat in der Sache vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts und zur Zurückverweisung der Sache zum Zweck der erneuten Prüfung und Entscheidung. Zwar trifft die in der am 13.06.2000 eingegangenen Beschwerdebegründung vertretene Ansicht, die Anordnung von Abschiebungshaft sei von vornherein unzulässig gewesen, nicht zu. Die bisherigen Feststellungen tragen die Aufrechterhaltung und damit die Verlängerung der Abschiebungshaft jedoch nicht.

1. Wie sich aus dem polizeilichen Vernehmungsprotokoll vom 16.02.2000 ergibt, hat der Betroffene nach seiner Festnahme, aber noch vor der Anordnung von Abschiebungshaft formlos um politisches Asyl nachgesucht. Entgegen der Ansicht der weiteren Beschwerde war damit die – zulässigerweise auf den Haftgrund der unerlaubten Einreise (§ 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG) gestützte – Anordnung von Abschiebungshaft nicht unzulässig geworden. Zwar ist einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet grundsätzlich gestattet (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Der Betroffene war jedoch unerlaubt aus Polen und damit aus einem sicheren Drittstaat (vgl. Anlage I zu § 26 a AsylVfG) eingereist. Gem. § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG erwarb er deshalb die Aufenthaltsgestattung erst mit der Stellung des Asylantrages, wofür die förmliche Antragstellung im Sinne des § 14 AsylVfG erforderlich ist (Hailbronner, Ausländerrecht, § 55 AsylVfG Rdnr. 13 m. w. N.). Am 16.02.2000 befand sich der Betroffene bereits in öffentlichem Gewahrsam, weshalb der Asylantrag bei dem Bundesamt zu stellen war (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG). Ein solcher Antrag wurde von dem Betroffenen erst am 02.03.2000 gestellt, als er sich bereits in Abschiebungshaft befand.

2. Ob die Abschiebungshaft trotz der Stellung des Asylantrags und der damit verbundenen Aufenthaltsgestattung aufrechterhalten werden durfte und darf, richtet sich demnach nach der Vorschrift des § 14 Abs. 4 AsylVfG. Die Vorinstanzen haben sich mit dieser Norm nicht befasst und daher keine Feststellungen darüber getroffenen, ob ihre Voraussetzungen vorliegen. Dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht ist es verwehrt, die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Im einzelnen:

a) Die Haftanordnung wird bisher allein auf den Haftgrund der unerlaubten Einreise (§ 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG) gestützt. Bei diesem Haftgrund darf die Abschiebungshaft gegen einen Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, nur dann aufrechterhalten werden, wenn er sich nach der unerlaubten Einreise länger als einen Monat ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufgehalten hat (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG). Nach den bisherigen Feststellungen liegen die Voraussetzungen dieser Norm nicht vor. Denn der Betroffene hat angegeben, er sei erst wenige Tage vor dem 16.02.2000 in das Bundesgebiet eingereist. Danach befand sich der Betroffene weder zum Zeitpunkt seiner Festnahme noch zum Zeitpunkt der Stellung seines Asylantrages länger als einen Monat im Bun...

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