Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbundener Vertrag bei der Finanzierung einer Photovoltaikanlage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Verbraucherdarlehensvertrag im Fernabsatz beginnt der Lauf der Widerrufsfrist für den Verbraucher nicht vor Erfüllung der Informationspflichten gemäß Art. 246 b EGBGB durch den Unternehmer. Die Beweislast für eine Aushändigung der notwendigen Informationen obliegt dem Unternehmer.

2. Wer ein Darlehen zur Finanzierung einer Photovoltaikanlage aufnimmt, handelt im Rahmen seiner privaten Vermögensverwaltung als Verbraucher, wenn Kauf und Betrieb der Photovoltaikanlage Teil eines Kapitalanlagemodells sind.

3. Die Kenntnisse eines selbständigen Finanzierungsvermittlers sind einer Bank in entsprechender Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen, wenn sie sich bei der Anbahnung von Darlehensverträgen der Mitwirkung des Vermittlers bedient. Die Kenntnisse des Vermittlers sind auch bei der Vermutung eines verbundenen Vertrages gemäß § 358 Abs. 3 Satz 2 BGB zu berücksichtigen.

Hinweis: Die Klägerin hat ihre Berufung nach dem Beschluss des Senats zurückgenommen.

 

Normenkette

BGB §§ 312c, 312d Abs. 2, §§ 355, 356 Abs. 3, § 358 Abs. 3 S. 2, § 495; EGBGB Art. 246b

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Aktenzeichen M 5 O 380/14)

 

Tenor

Der Senat erwägt eine Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 21.09.2016 - M 5 O 380/14 -. Die Parteien erhalten vor einer Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Erfüllungs-, Rückabwicklungs- und Schadensersatzansprüche nach Abschluss eines Darlehensvertrages.

Die Beklagten unterzeichneten am 05.10.2009 eine Bestellung zum Erwerb einer Photovoltaikanlage bei der G. mbH & Co. KG (im Folgenden abgekürzt G.). Im Vertragsformular war ein Gesamtpreis von 57.500,00 EUR netto, bzw. 68.425,00 EUR brutto, angegeben. Die Bestellung enthielt den vorformulierten Zusatz: "Vorbehaltlich einer Finanzierungszusage eines deutschen Finanzierungsunternehmens" (vgl. die Anlage B 1 b). Am selben Tag unterzeichneten die Beklagten auf einem Formular der Klägerin einen "Darlehensantrag D.-Energie" (Anlage B 1 a) über einen Betrag von 57.500,00 EUR. Dem Darlehensantrag lag ein Kostenvoranschlag der G. für die zu erwerbende Photovoltaikanlage zugrunde, der einen Kaufpreis von 57.500,00 EUR brutto auswies (Anlage K 9). Das Darlehen sollte in monatlichen Raten von 408,31 EUR zurückgezahlt werden, die letzte Rate nach 18 Jahren am 30.10.2027. Außerdem unterzeichneten die Beklagten am 05.10.2009 einen Pachtvertrag, in welchem die S. GmbH & Co. KG (im Folgenden abgekürzt: Solar) als "Nutzerin" genannt wurde. Die von den Beklagten zu erwerbende Photovoltaikanlage sollte auf dem Dach eines Gewerbeobjekts in St., welches sich im Eigentum eines Dritten befand, angebracht werden. Es war eine monatliche Pacht zu Gunsten der Beklagten in Höhe von 755,75 EUR brutto vorgesehen. Die Pacht sollte während einer festen Vertragslaufzeit von 239 Monaten (19 Jahre und 11 Monate) gezahlt werden (Anlage B 1c)).

Die Vertragserklärungen der Beklagten wurden von den vorgesehenen Vertragspartnern angenommen. Die Photovoltaikanlage wurde auf dem Gewerbeobjekt in St. montiert. Die Klägerin zahlte den Darlehensbetrag, entsprechend einer Weisung der Beklagten, an die G. aus. Die Beklagten erhielten für einen gewissen Zeitraum die vorgesehenen Pachtzahlungen von der Solar. Am 30.09.2011 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Solar eröffnet. Nach einer Klage des Insolvenzverwalters einigten sich die Beklagten mit diesem auf eine hälftige Rückzahlung der bis dahin vereinnahmten Pachtzinsen. Der andere Teil in Höhe von 4.886,97 EUR verblieb den Beklagten. Die Einigung mit dem Insolvenzverwalter erfolgte nach Rechtshängigkeit von Klage und Widerklage im vorliegenden Verfahren.

Im Darlehensantrag war der in Chemnitz ansässige Zeuge Th. als "Vermittler" angegeben. Als "Ort des Vermittlungsgesprächs" wurde Chemnitz angegeben; dies war unstreitig unzutreffend, da es zwischen dem Zeugen Th. und den Beklagten keinen persönlichen Kontakt gab, und die Beklagten nie in Chemnitz waren. Der Zeuge Th. arbeitete im vorliegenden Fall - und in einer Vielzahl anderer Fälle - mit einem Strukturvertrieb zusammen, der Kunden für den Kauf von Photovoltaik-Anlagen der G. mit einem bestimmten Anlagekonzept warb. Das Anlagekonzept wurde von der Vertriebsorganisation "SafeInvest" genannt. Im vorliegenden Fall war für diese Vertriebsorganisation der Zeuge Fr. tätig, der den Beklagten das Anlagekonzept erläuterte. Bei einem Beratungsgespräch veranlasste der Zeuge Fr. die Beklagten zur Unterzeichnung der Erklärungen vom 05.10.2009. Der Zeuge Fr. leitete die erforderlichen Formulare und Erklärungen an seine Vertriebsorganisation weiter, welche die Unterlagen sodann an den Zeugen Th. übersandte. Allerdings erhielt der Zeuge Th. den Pachtvertrag nicht; stattdessen erhielt der Zeuge Th. eine von den Beklagten auf einem Formular der Klägerin unterzeichnete "Fo...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge