Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Vergleichsmehrwert in Fällen, in denen auch ein etwaiger Regreßanspruch gegen einen Streithelfer abgegolten wird.
Leitsatz (amtlich)
Wird in einem Vergleich auch ein bislang nicht rechtshängiger Gesamtschuldnerausgleichsanspruch zwischen einer Partei und einem Streithelfer mitgeregelt, begründet dies zwar einen Mehrwert, jedoch nur im Verhältnis zwischen dieser Partei und dem Streithelfer und nur in der Höhe, in der ein Ausgleichsanspruch streitig war und die Partei ihn für berechtigt halten durfte.
Normenkette
BGB § 426; GKG § 45 Abs. 1 S. 3, § 68; RVG § 32 Abs. 2; ZPO § 278 Abs. 6
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Beschluss vom 21.10.2022; Aktenzeichen 1 O 177/21) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Beklagtenvertreters wird der Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 21.10.2022, 1 O 177/21, unter II. Satz 2 dahingehend abgeändert, dass der Vergleichsmehrwert im Verhältnis zwischen der Beklagten und den Streithelfern der Klägerin auf EUR 45.000,00 festgesetzt wird.
2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
3. Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Beklagtenvertreter wendet sich mit der Beschwerde aus eigenem Recht dagegen, dass das Landgericht bei der Streitwertfestsetzung die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts abgelehnt hat.
Die Klägerin hat als Versicherer einer Auftraggeberin von Arbeiten zur Dachabdichtung die Beklagte als ausführendes Unternehmen dieser Arbeiten wegen eines Brandereignisses auf Schadensersatz in Höhe von EUR 122.986,32 aus übergegangenem Recht in Anspruch genommen. Die Beklagte hat ihrerseits den überwachenden Architekten den Streit verkündet, die daraufhin dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten sind.
Mit Beschluss vom 21.10.2022, dort unter I., hat das Landgericht das Zustandekommen eines Vergleichs gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt. Darin verpflichteten sich die Beklagte zur Zahlung von EUR 95.000,00 an die Klägerin, die Streithelfer der Klägerin zur Zahlung weiterer EUR 5.000,00, zu zahlen ebenfalls an die Klägerin. Durch den Vergleich abgegolten wurden sowohl sämtliche Ansprüche der Klägerin aus dem Brandereignis gegen die Beklagte (§ 2 Ziff. 1) und die Streithelfer (§ 2 Ziff. 2) als auch sämtliche Regress-, Ausgleichs- und Freistellungsansprüche im Innenverhältnis zwischen der Beklagten und den Streithelfern der Klägerin wegen der in dem Vergleich vereinbarten Zahlungen und Kosten (§ 2 Ziff. 3).
Das Landgericht hat durch denselben Beschluss, dort unter II., den Streitwert auf EUR 122.986,32 festgesetzt und das Bestehen eines Vergleichsmehrwerts verneint. Denn letztlich bestehe eine wirtschaftliche Identität zwischen der Hauptforderung und dem vom Vergleich ebenfalls umfassten Gesamtschuldnerausgleich. Wenn jedoch ein Additionsverbot i.S.v. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG bezogen auf den Gegenstand des Verfahrens und denjenigen des Vergleichs bestehe, könne auch kein Vergleichsmehrwert festgesetzt werden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagtenvertreters, mit der er die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes, zumindest im Verhältnis zwischen Beklagter und Streithelfern, in Höhe von EUR 122.986,32, jedenfalls aber in Höhe von EUR 100.000,00 begehrt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. 1. Die Beschwerde ist zulässig. Der Beklagtenvertreter hat in zulässiger Weise gemäß § 32 Abs. 2 RVG im eigenen Namen Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichts eingelegt. Die Einzelrichterin hat das Verfahren gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 6 Satz 2 GKG dem Senat übertragen.
2. Sie ist auch teilweise begründet.
a) Zutreffend geht das Landgericht zunächst davon aus, dass mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich auch etwaige Ausgleichsansprüche aus dem Gesamtschuldverhältnis zwischen der Beklagten und den Streithelfern miterledigt wurden und sich hieraus grundsätzlich ein Vergleichsmehrwert ergibt. Die Ansprüche zwischen diesen Beteiligten waren auch streitig, was Voraussetzung für die Annahme eines Vergleichsmehrwerts ist (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 28.03.2018, 10 W 8/18 - juris, Rn. 24; OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.04.2018, 10 W 25/18 - juris, Rn. 23; Schneider in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., KV GKG Nr. 1900 Rn. 7). Die Streithelfer beteiligten sich an dem Vergleich lediglich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und nur aus wirtschaftlichen Erwägungen mit einem geringen Betrag (AS I 334).
Dass in solchen Fällen ein Vergleichsmehrwert festzusetzen ist, entspricht der ganz überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung, die die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts entweder - bei oder wegen eines Interesses aller Beteiligten an einer Gesamtbereinigung - für den gesamten Rechtsstreit (so OLG Koblenz, Beschluss vom 22.12.1997, 14 W 771/97 - juris, Rn. 2; OLG Köln, Beschluss vom 29.11.1972, 2 W 105/72, für Gesamtvergleich mehrerer Prozesse) oder jedenfalls im Verhältnis zwischen dem Gläu...