Leitsatz (amtlich)
1. Zur Teilung mehrerer Anrechte beim selben Versorgungsträger mit geringem Ausgleichswert (im konkreten Fall abgelehnt)
2. Die Aufhebung der Kosten des Beschwerdeverfahrens zwischen den Ehegatten bei Tragung der eigenen außergerichtlichen Kosten des beschwerdeführenden Versorgungsträgers durch diesen selbst kann nach § 150 Abs. 1, 3 FamFG geboten sein, wenn der Beschwerdeführer im Rahmen der Auskunftserteilung im erstinstanzlichen Verfahren zwar übersehen hat, dass bei ihm ein weiteres Anrecht besteht, dieses aber von dem betreffenden Ehegatten im Fragebogen zum Versorgungsausgleich auch nicht angegeben und ersichtlich deshalb nicht beauskunftet worden ist.
Normenkette
FamFG § 150 Abs. 1, 3; VersAusglG § 18 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Rastatt (Aktenzeichen 5 F 38/22) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der S. wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Rastatt vom 16.11.2022, Az. 5 F 38/22, in Ziffer 2 der Entscheidungsformel dahingehend abgeändert, dass nach dem zweiten Absatz der nachfolgende weitere Absatz hinzugefügt wird:
Ein Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der S. (Vers. Nr. ...) findet nicht statt.
2. Die Antragstellerin und der Antragsgegner tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf EUR 1.000,00 festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Durchführung des Versorgungsausgleichs bei der Scheidung.
Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben am 08.08.2008 geheiratet. Der Scheidungsantrag wurde an den Antragsgegner am 25.02.2022 zugestellt. Mit Verbundbeschluss vom 16.11.2022 hat das Amtsgericht die Ehe der beteiligten Ehegatten geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Hierbei hat das Amtsgericht hinsichtlich der Anrechte beider Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie des Anrechts des Antragsgegners bei der A. die interne Teilung angeordnet und das weitere Anrecht des Antragsgegners bei der A. und das Anrecht der Antragstellerin bei der S. (nachfolgend: SV Versicherung) mit der Vers.-Nr. ... wegen Geringfügigkeit nach § 18 Abs. 2 VersAusglG vom Versorgungsausgleich ausgenommen. Wegen der Einzelheiten wird auf den erstinstanzlichen Beschluss Bezug genommen.
Die SV Versicherung hat nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung mit Schreiben vom 30.11.2022 gegenüber dem Amtsgericht mitgeteilt, dass bei ihr ein weiteres Anrecht der Antragstellerin mit der Vers.-Nr. ... bestehe, welches übersehen worden sei. Zugleich hat die SV Versicherung für diese Versicherung eine Auskunft erteilt. Auf das Schreiben vom 30.11.2022 nebst Auskunft wird Bezug genommen (As. I 13 ff. VA-Heft = As. II 16 ff.).
Der Verbundbeschluss des Amtsgerichts vom 16.11.2022 wurde an die SV Versicherung formlos übermittelt. Hiergegen hat die SV Versicherung mit am 16.12.2022 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und die Beschwerde innerhalb der mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 28.12.2022 gesetzten Frist begründet.
Die SV Versicherung trägt vor, das weitere Anrecht der Antragstellerin mit der Vers.-Nr. ... sei bei der Auskunftserteilung gegenüber dem Amtsgericht übersehen worden. Da der Ausgleichswert des weiteren Anrechts die Geringfügigkeitsgrenze nach § 18 Abs. 3 VersAusglG nicht überschreite, solle ein Ausgleich nach § 18 Abs. 2 VersAusgIG nicht stattfinden.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie trägt vor, den Fragebogen zum Versorgungsausgleich ordnungsgemäß ausgefüllt und überreicht zu haben. Dementsprechend sei von der SV Versicherung Auskunft erteilt und ausdrücklich erklärt worden, dass weitere Anrechte nicht vorhanden seien.
Der Antragsgegner hat sich nicht geäußert.
II. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte Beschwerde der SV Versicherung ist zulässig und begründet. Sie führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Ergänzung der erstinstanzlichen Entscheidung.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Die Beschwerdeberechtigung eines Versorgungsträgers besteht immer dann, wenn der Versorgungsausgleich mit einem im Gesetz nicht vorgesehenen Eingriff in seine Rechtsstellung verbunden ist, der nicht nur vorliegt, wenn Versorgungsanrechte bei ihm abgezogen oder gutgeschrieben, sondern auch, wenn bei ihm bestehende Anrechte zu Unrecht nicht in den Ausgleich einbezogen werden (vgl. (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2000 - XII ZB 16/96 -, Rn. 10, juris; Johannsen/Henrich/Althammer/Althammer, 7. Aufl. 2020, FamFG § 59 Rn. 12a m.w.N.). Unschädlich ist in diesem Zusammenhang eine versehentlich unterbliebene oder unvollständige Auskunftserteilung im erstinstanzlichen Verfahren. Denn eine Präklusion hinsichtlich der Tatsachen und Beweismittel, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können, ist im Beschwerdeverfahren nach den §§ 58 ff. FamFG nicht vorgesehen (vgl. Sternal/Sternal, 21. Aufl. 2023, FamFG § 65 Rn. 11).
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
Die Antrags...