Leitsatz (amtlich)

Auch wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der gepfändete Gegenstand wertlos ist, hat der Rechtsanwalt des Vollstreckungsgläubigers für seine Tätigkeit im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht nur Anspruch auf die Mindestgebühr nach § 13 Abs. 2 RVG. Vielmehr richtet sich der Gegenstandswert der ihm zustehenden Gebühren (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG) nach den subjektiven Vorstellungen des Vollstreckungsgläubigers vom Wert des Vollstreckungsobjekts zu Beginn der anwaltlichen Tätigkeit, sofern diese hinreichend plausibel sind und eine nachvollziehbare tatsächliche Basis haben (entgegen OLG Köln Rpfleger 2001, 149, 152).

 

Tenor

Der für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren maßgebliche Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens 17 W 18/10 wird auf Antrag der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin auf 8.750 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antrag auf "Streitwertfestsetzung" ist zulässig. Dabei handelt es sich allerdings um einen Antrag auf Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG, da die begehrte Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit die Grundlagen des Kostenfestsetzungsantrags der Antragstellerin vom 5.8.2010 klären soll. Da für das Beschwerdeverfahren auf Seiten des Gerichts lediglich eine streitwertunabhängige Festgebühr angefallen ist (vgl. Nr. 1812 KV RVG), bestand (und besteht) keine Veranlassung, für das gerichtliche Verfahren nach § 63 Abs. 2 GKG einen Streitwert festzusetzen, der dann nach § 32 RVG auch für die Rechtsanwaltsgebühren maßgeblich wäre, zumal sich der für die Gebührenberechnung relevante Gegenstandswert im Beschwerdeverfahren (anders als im erstinstanzlichen und im Berufungsverfahren, vgl. § 23 Abs. 1 S. 1 und 2 RVG) gem. § 23 Abs. 2 S. 1 RVG ohnehin nicht nach den für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wertvorschriften richtet.

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 33 Abs. 1 und 2 RVG sind erfüllt.

II. Inhaltlich richtet sich der nach billigem Ermessen zu bestimmende Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens gem. § 23 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 2 RVG in erster Linie nach dem Interesse des Antragsgegners an der Aufhebung der angefochtenen Arrestpfändungsanordnung. Dabei wird der Wert des Beschwerdeverfahrens gem. § 23 Abs. 2 S. 2 RVG allerdings durch denjenigen des erstinstanzlichen Verfahrens über den Antrag auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses begrenzt. Dieser richtet sich wiederum gem. § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG nach dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung, höchstens jedoch nach dem Wert des zu pfändenden Gegenstands, hier also der Forderung des Antragsgegners gegen die I. V. Lebensversicherung AG aus dem Lebensversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer ...

Deren Ablaufleistung hätte zum 1.12.2008 ohne die Umwandlung in eine Rentenversicherung nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Antragstellerin zwar ca. 65.000 EUR betragen. Ebenso unstreitig ist jedoch, dass die Lebensversicherung noch vor Beginn des Beschwerdeverfahrens (und wohl sogar noch vor Einreichung der Antragsschrift vom 24.11.2008 beim LG) nach § 167 VVG in eine Rentenversicherung umgewandelt wurde und die in Ziff. 3 des Beschlusses des LG Karlsruhe vom 24.11.2008 angeordnete Forderungspfändung, die das LG im angefochtenen Urteil vom 15.6.2009 aufrechterhalten hat, daher faktisch ins Leere gegangen ist.

Welche Auswirkungen dies auf die nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG im Vollstreckungsverfahren entstandenen Gebühren hat, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Nach einer Ansicht können die Rechtsanwaltsgebühren, wenn sich - auch nachträglich - herausstellt, dass der gepfändete Gegenstand wirtschaftlich wertlos ist, nur aus dem gesetzlichen Mindeststreitwert von 300 EUR (§ 13 Abs. 1 S. 1 RVG) berechnet werden, wobei dem Rechtsanwalt auch bei einem nur den Bruchteil einer vollen Gebühr ausmachenden Gebührentatbestand zumindest die Mindestgebühr von 10 EUR nach § 13 Abs. 2 RVG zustehe (so OLG Köln Rpfleger 2001, 149 [152]; LG Hamburg ZMR 2009, 697; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., § 25 Rz. 8). Die Gegenmeinung stellt bei einem wertlosen Pfändungsobjekt auf den Wert der zu vollstreckenden Forderung ab (so LG Düsseldorf, B. v. 12.7.2005 - 19 T 154/05 -, zitiert nach juris; LG Hamburg AnwBl. 2006, 499; Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., § 25 RVG Rz. 5). Eine dritte Meinung hält den höchsten während der Zwangsvollstreckungsmaßnahme ermittelten Wert des Vollstreckungsobjekts für maßgeblich, der mangels anderweitiger Grundlagen ggf. durch anwaltliche Schätzung zu ermitteln sei (so Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 25 Rz. 9-15).

Insoweit schließt sich der Senat der gegen die erstgenannte Auffassung geäußerten Kritik an, dass es der Systematik des RVG widerspricht, die Höhe des Anwaltshonorars vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig zu machen, zumal für die Bewertung einer Gebühren auslösenden Tätigkeit in der Regel auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem mit dieser Tätigkeit begonnen wird, da die Gebühren in diesem Zeitpunkt entstehen (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer,...

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