Leitsatz (amtlich)

1. Zum Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung bei psychischer Belastung der Mutter und Gefahr der Parentifizierung des Kindes.

2. Zu den Anforderungen an die Feststellung einer Kindeswohlgefährdung bei verbleibenden Verdachtsmomenten hinsichtlich einer Verletzung der körperlichen Integrität des Kindes und Fehlen weiterer Aufklärungsmöglichkeiten.

 

Verfahrensgang

AG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 21.07.2017; Aktenzeichen 46 F 834/16)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Mutter ... gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg vom 21.06.2017 (46 F 834/16) wird zurückgewiesen.

II. Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg vom 21.06.2017 (46 F 834/16) wird im Tenor zu Ziffer 1-3 abgeändert und insofern wie folgt neu gefasst:

Der Mutter ... wird die Personensorge für das Kind ..., geboren am ..., entzogen.

Es wird davon abgesehen, das Recht zur Personensorge auf den Vater ... zu übertragen.

Zur Ausübung der Personensorge für das Kind ... wird Ergänzungspflegschaft angeordnet. Zur Ergänzungspflegerin wird bestellt: Frau ....

III. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

IV. Der Mutter wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... bewilligt.

V. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 3.000,00 EUR.

 

Gründe

I. Mit der Beschwerde wendet sich die Mutter ... gegen die Entziehung wesentlicher Teile der Personensorge für ihr neuntes Kind, die am ... geborene ..., durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg vom 21.06.2017 (46 F 834/16).

1. ... wurde am ... in ... bei ... geboren. Sie konvertierte im Alter von ca. 16 oder 17 Jahren zum Islam. In den Jahren 1996 und 1997 erfolgte die religiöse bzw. standesamtliche Trauung mit ..., in den Jahren 1997 bis 2002 die Geburt der vier gemeinsamen Kinder .... Im Jahr 2003 wurde den Eltern das Sorgerecht für diese vier Kinder entzogen, die Kinder wurden in einem Heim untergebracht.

In den Jahren 2003 bis 2007 wurden die Kinder ... geboren. Im Jahr 2007 trennten sich die Eheleute ..., die Scheidung erfolgte 2010. Im Jahr 2009 lernte ... in ... kennen, den späteren Vater von .... Als erstes gemeinsames Kind wurde am ... der Sohn ... geboren. 2011 heirateten ... und ..., Letzterer zog nach .... Nach Gewalttätigkeiten innerhalb der Beziehung trennten sich die Eheleute, die Scheidung erfolgte im Oktober 2013.

Am 08.05.2013 nahm das Jugendamt die Kinder ... in Obhut. Nachdem die drei älteren Kindern Misshandlungen geschildert hatten, wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet (StA Freiburg 110 Js 10737/13); im Rahmen dessen befand sich ... zeitweise in Untersuchungshaft. Mit Urteil des Landgerichts Freiburg vom 22.09.2014 (14 Ns 110 Js 10737/13, rechtskräftig seit 30.09.2014) wurde ... wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht in 26 Fällen u.a. zum Nachteil der vier am 08.05.2013 in Obhut genommenen Kinder zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilung lag zu Grunde, dass ... ihre Kinder zur Bestrafung mit Bettgitterstäben auf Hände und Füße geschlagen, ihnen Brennnesseln in die Unterhosen gesteckt, ihre Münder mit Chilischoten eingerieben und sie zum Stehen mit abgewinkelten Armen gezwungen hatte. Das Landgericht stellte ferner fest, dass die Wohnung sich in einem vermüllten Zustand befunden habe; die Kinder hätten vergammelte Lebensmittel essen müssen. Gestützt auf ein psychiatrisches Gutachten des Sachverständigen ... vom 08.11.2013 ging das Landgericht davon aus, dass bei ... eine akzentuierte Persönlichkeitsstruktur vorlag, die jedoch nicht zu Beeinträchtigungen der Schuldfähigkeit führte.

Am 01.06.2017 beantragte die Staatsanwaltschaft Freiburg mit Blick u.a. auf die aktuellen Entwicklungen im vorliegenden Verfahren, die Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen. Das Amtsgericht Freiburg lehnte den Antrag mit Beschluss vom 11.09.2017 (22 BWL 36/14) ab, die Beschwerde der Staatsanwaltschaft wurde durch Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 02.10.2017 (6 Qs 36/17) zurückgewiesen.

2. Nach der Geburt ... am ... richtete das Jugendamt der Stadt ... unter dem 15.07.2014 eine Mitteilung nach § 1666 BGB an das Amtsgericht und regte die Einrichtung einer Vormundschaft oder Ergänzungspflegschaft an. Seit der Inobhutnahme der vier Kinder am 08.05.2013 habe Frau ... nur in sehr geringem Maße Einsicht und Veränderungsbereitschaft gezeigt. Die Kooperation mit dem Jugendamt gestalte sich äußerst schwierig.

Im September 2014 nahm eine sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH), Frau ..., ihre Tätigkeit im Haushalt von Frau ... auf. Das Amtsgericht beschloss nach Durchführung eines Termins im Oktober 2014, ein Gutachten der Sachverständigen ... u.a. zur Erziehungsfähigkeit der Mutter und zum Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung bei ... einzuholen (46 F 1870/14). Einen Antrag, der Mutter in ...

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