Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Rückführung eines Kleinkindes nach Australien

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Voraussetzungen einer Rückführungsanordnung gemäß Art. 12 HKiEntÜ i.V.m. Art. 3 HKiEntÜ nach Australien sind zu bejahen, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Australien hat und durch die Zurückhaltung des Kindes in Deutschland das Mitsorgerecht des Vaters verletzt wird.

2. Art. 13 HKiEntÜ ist eng auszulegen mit der Folge, dass nur ungewöhnlich schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindeswohls einer Rückgabe entgegenstehen können.

 

Normenkette

HKiEntÜ Art. 3; HkiEntÜ 12; HkiEntÜ 13

 

Verfahrensgang

AG Karlsruhe (Beschluss vom 21.09.2009; Aktenzeichen 1 F 293/09)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 08.04.2010; Aktenzeichen 1 BvR 862/10)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe vom 21.9.2009 (1 F 293/09) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Antragsgegnerin gem. Ziff. 1 des Beschlusses verpflichtet ist, das Kind I., geboren am ...2005, unverzüglich nach Australien zurückzuführen. Im Übrigen verbleibt es bei den Anordnungen in Ziff. 2 bis 5 des Beschlusses.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des Kindes I., geboren am ...2005 in R. Der Vater begehrt von der Mutter die Rückführung des Kindes nach Australien auf der Grundlage des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ).

Die Eltern lernten sich im Jahr 2003 in T. kennen. Die Antragsgegnerin lebte ab dem Jahr 2004 bis zu ihrer Ausreise im Juni 2008 zeitweise in Australien und zeitweise in Deutschland. Nach der Trennung der Eltern im September/Oktober 2007 zog die Antragsgegnerin mit I. in Australien in ein Frauenhaus. Der Antragsteller gelangte in den Besitz der Pässe von I. und von der Antragsgegnerin und hinterlegte diese bei Gericht. Er leitete beim Federal Magistrates Court of Australia ein Sorgerechtsverfahren ein, das noch nicht abgeschlossen ist. Die Antragsgegnerin hat dort beantragt, dass I. bei ihr leben soll und sie mit ihr nach Ch. umziehen könne, während der Antragsteller eine Umgangsregelung erhalte. Der Antragsteller hat beantragt, dass das Kind jeweils abwechselnd bei ihm und bei der Antragsgegnerin in C. leben soll und dass die elterliche Verantwortung gleichmäßig auf beide Elternteile aufgeteilt werde. Am 8.5.2008 ist durch das Gericht "bei gegenseitiger Zustimmung verordnet" worden, dass die Eltern die elterliche Obhut für I. auf gleiche Weise teilen und dass der Antragsgegnerin erlaubt wird, mit I. "gegen den" (wörtlich: on or about) 25.6.2008 nach Deutschland zu reisen, wobei sie Deutschland nicht später als am 15.10.2008 verlassen werde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidung (I, 35-45) Bezug genommen. Am 15.6.2008 reiste die Antragsgegnerin mit I. nach Deutschland. Zunächst lebte sie bei ihren Eltern in S. und seit dem 1.2.2009 in K.

Der Antragsteller hat die Herausgabe des Kindes I. an ihn zum Zwecke der sofortigen Rückführung nach Qu., Australien, beantragt und vorgetragen, die Antragsgegnerin halte I. widerrechtlich in Deutschland zurück und verletze dadurch sein Mitsorgerecht. Denn er habe seine Einwilligung für einen Verbleib von I. in Deutschland nur bis zum 15.10.2008 erteilt. Nachdem die Antragsgegnerin bereits am 15.6.2008 nach Deutsch-

land ausgereist sei, habe sie am 8.10.2008 wieder nach Australien zurückfliegen wollen. Als er am 9.10.2008 am Flughafen gewesen sei, seien beide nicht an Bord gewesen. Er habe dann in der Folgezeit - unstreitig - mehrere Schreiben mit Krankschreibungen der Antragsgegnerin erhalten. Seine Anfragen nach dem neuen Flugplan der Antragsgegnerin habe diese zunächst nicht beantwortet. Von einer Aufforderung zur freiwilligen Rückführung des Kindes habe er abgesehen, da er befürchtet habe, die Antragsgegnerin könne mit dem Kind untertauchen.

Er und die Antragsgegnerin hätten seit Oktober 2007 getrennt voneinander in C. in Australien gelebt. Nach dem Familienrechtsgesetz Australiens stehe ihnen das Sorgerecht für das Kind gemeinsam zu. Darüber hinaus sei ihnen auch durch die vorläufige Entscheidung des Federal Magistrates Court of Australia am 8.5.2008 das gemeinsame Sorgerecht zuerkannt worden. Vor dieser Trennung hätten sie ab Januar 2004 gemeinsam in C. gelebt. I. sei in Deutschland geboren, weil der Antragsgegnerin damals das bereits beantragte Visum nicht erteilt worden sei, weshalb sie das Land zunächst habe verlassen müssen. Nach der Klärung der Situation sei sie mit dem Kind im Februar 2006 nach Australien zurückgekehrt, wo sie ab März 2006 als Familie unter seiner Wohnanschrift gewohnt hätten. Im Januar 2007 sei die Antragsgegnerin mit dem Kind mit seiner Einwilligung wegen einer Erkrankung ihres Vaters nach Deutschland gereist, um den Vater zu besu...

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