Leitsatz (amtlich)
Handelt es sich bei den Planannahmen eines Bewertungsgutachtens um "Sonderplanungen", die ausschließlich zu Bewertungszwecken und außerhalb des formalen unternehmerischen Planungsprozesses erstellt wurden, sind sie schon deshalb kritisch zu sehen und fallen nur bedingt unter die unternehmerische Planungsvorhand der Gesellschaft.
Die Einzelfaktoren zur Berechnung des Kapitalisierungszinssatzes (Basiszinssatz, Marktrisikoprämie, Betafaktor und Wachstumsabschlag) unterliegen auch in ihrer Gesamtheit einer Schätzung.
Verfahrensgang
LG Mannheim (Beschluss vom 16.09.2013; Aktenzeichen 24 AktE 10/03) |
Tenor
1. Auf die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerinnen wird der Beschluss des LG Mannheim vom 16.9.2013 - 24 AktE 10/03 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen abgeändert wie folgt:
Die angemessene Barabfindung für die Übertragung der Aktien der bisherigen Minderheitsaktionäre der E. AG auf die E. HOLDING AG wird auf 421,72 EUR je Stückaktie festgesetzt.
Der Abfindungsbetrag ist ab 16.01.2003 mit 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen, ab 01.09.2009 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
Die weiter gehenden Anträge der Antragsteller werden zurückgewiesen.
2. Die weiter gehende Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2, die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zu 4 sowie die Anschlussbeschwerde der Antragsteller zu 13 und 14 werden zurückgewiesen.
3. Die Antragsgegnerin zu 2 trägt die gerichtlichen Kosten des Verfahrens sowie die Vergütung des gemeinsamen Vertreters der nicht beteiligten Antragsberechtigten.
Die Antragsgegnerin zu 2 trägt die in erster Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller. Eine Kostenerstattung für das Beschwerdeverfahren findet insoweit nicht statt.
4. Der Geschäftswert des Verfahrens wird für die Gerichtsgebühren und die Vergütung des gemeinsamen Vertreters einheitlich für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren auf 3.950.089,50 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Antragsteller verlangen als vormalige Aktionäre der E. AG die gerichtliche Festsetzung der angemessenen Barabfindung nach erfolgtem Ausschluss als Minderheitsaktionäre.
Die E. AG (nachfolgend auch: die Gesellschaft, Antragsgegnerin zu 1) wurde im Jahr 1894 unter der Firma "Kraftübertragungswerke R." (nachfolgend auch: KWR) mit Sitz in R./Baden als Aktiengesellschaft im Handelsregister eingetragen. Satzungsgemäßer Gegenstand des Unternehmens ist insbesondere die "Ausnutzung der bei R. und W. errichteten Wasserkraftanlagen". Die Gesellschaft betreibt zwei Rheinwasserkraftwerke in R. und W.. Als regionaler Stromversorger besitzt die Gesellschaft in (...) ein eigenes Stromnetz.
Das Grundkapital der Gesellschaft beträgt seit dem Jahr 1992 rund 49,16 Mio EUR. Es ist in 1.923.080 auf den Inhaber lautende Stückaktien aufgeteilt. Die Aktien der Gesellschaft waren zum amtlichen Handel an den Börsen in Frankfurt/M., Berlin und Zürich notiert.
Seit dem Jahr 1998 bestand eine Kooperation der KWR mit der Kraftwerk L. AG (nachfolgend auch: KWL, Antragsgegnerin zu 2). Die KWL war eine Aktiengesellschaft nach schweizerischem Recht mit Sitz in L./Schweiz, deren Unternehmenszweck ebenfalls die Energiegewinnung aus Wasserkraft ist (Wasserkraftwerk L.). Hauptaktionär beider Gesellschaften war die El. AG (später W. AG), D./Schweiz. KWR und KWL gründeten im Jahr 1998 die gemeinsame Tochter ED GmbH, die als gemeinsame Betriebsführungsgesellschaft sämtliche kaufmännischen und administrativen Aufgaben (mit Ausnahme des jeweiligen Kraftwerkpersonals) sowie den Netzbetrieb für KWR und KWL übernahm.
Im Zuge einer - u.a. auch steuerlich motivierten - Entflechtungsstrategie mit dem Ziel der Herauslösung von KWL und KWR aus der W.-Gruppe und Übernahme durch die E-2 AG (Projekt "M.") erwarb zunächst die KWL im Mai 2002 die Mehrheitsbeteiligung der W. AG an der KWR. Im August 2002 veräußerte die W. AG ihre Mehrheitsbeteiligung an der KWL an die E-2 AG, die zeitgleich ihre unmittelbare Minderheitsbeteiligung an der KWR an die KWL veräußerte. Die E-2 AG ist seither Mehrheitsaktionärin der KWL und dadurch mittelbare Mehrheitseignerin der KWR. Seit dem Jahr 2003 firmiert die KWR als E. AG, die KWL als E. HOLDING AG.
Im Juli 2002 unterbreitete die KWL den verbleibenden Minderheitsaktionären der KWR das freiwillige Angebot zum Erwerb ihrer Aktien zum Preis von 305 EUR zzgl. der Option zum Bezug einer KWL-Aktie. Die KWL stockte auf diese Weise ihren Mehrheitsanteil an der KWR bis August 2002 auf 97,39 % der Aktien auf. Die übrigen 50.212 Aktien verblieben zunächst in der Hand von Minderheitsaktionären, deren Ausschluss die KWL in der Folge einleitete.
Am 31.10.2002 erging die Einladung zu einer außerordentlichen Hauptversammlung der KWR am 10./11.12.2002 unter Bekanntmachung des Übertragungs-Antrags der KWL. Die von der Antragsgegnerin zu 2 mit der Unternehmensbewertung beauftragte Bank S. & Cie. AG, Zürich (im Folgenden: S.) ermittelte zum Stichtag 10./11.12.2002 einen Unternehmenswert von 571,2 Mio EUR und einen anteilige...