Leitsatz (amtlich)

1. Auch ein negativer Preis ist ein Preis, der grundsätzlich zulässig ist.

2. Der Auftraggeber kann den Ausschluss eines Angebots mit negativen Preisen nicht darauf stützen, dass er in der Ausschreibung die HVA B-StB EU-Teilnahmebedingungen 8 - 19 zum Gegenstand der Vergabeunterlagen gemacht und damit bestimmt hat, dass Hauptangebote mit negativen Einheitspreisen von der Wertung ausgeschlossen werden, soweit negative Einheitspreise nicht ausdrücklich zugelassen sind.

3. Ein fachkundiger Durchschnittsbieter mit üblichen Vergaberechtskenntnissen muss nicht erkennen, dass das Verbot negativer Preise einen Vergaberechtsverstoß darstellt.

 

Normenkette

VOBA2 2019 § 13 Abs. 1 Nr. 3, § 16 Nr. 3

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der Vergabekammer Baden-Württemberg vom 5. Mai 2023 - 1 VK 9/23 - wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren.

Die Beigeladene behält ihre Kosten auf sich.

3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 80.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin beanstandet den Ausschluss ihres Angebots.

Der Antragsgegner schrieb den zweiten Bauabschnitt des Neubaus der Ortsumfahrung St. aus. Gegenstand der Vergabeunterlagen sind die HVA B-StB EU-Teilnahmebedingungen 8-19, die u. a. vorgeben, dass Hauptangebote mit negativen Einheitspreisen von der Wertung ausgeschlossen werden, soweit negative Einheitspreise nicht ausdrücklich für bestimmte Positionen in der Leistungsbeschreibung zugelassen sind. Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis.

Die Antragstellerin gab ein Angebot ab. Für die Leistungsposition 2.2.2, grobkörnigen Boden liefern, profilgerecht einbauen und verdichten, hat die Antragstellerin einen negativen Preis eingesetzt.

Der Antragsgegner schloss das Angebot der Antragstellerin mit der Begründung aus, dass es nicht zugelassene negative Einheitspreise enthalte, und teilte des Weiteren mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

Die Antragstellerin rügte den Ausschluss ihres Angebots. Das Angebot könne nicht ausgeschlossen werden, da das Verbot negativer Preise rechtswidrig sei, was sie, die Antragstellerin, erst durch ihren Verfahrensbevollmächtigten nach Ausschluss ihres Angebots erfahren habe. Sie habe einen negativen Preis kalkuliert, weil sie genau den einzubauenden Boden aus einer anderen Baumaßnahme, bei der ihr für die Verwertung eine Vergütung bezahlt werde, einsetzen könne.

Der Antragsgegner berief sich darauf berufen, dass die Rüge präkludiert sei. Aufgrund einer Bieterfrage zu negativen Preisen im Vergabeverfahren zum ersten Bauabschnitt, an dem sich die Antragstellerin auch beteiligt gehabt habe, habe diese Kenntnis von der Problematik gehabt. Davon abgesehen habe sie negative Preise verbieten dürfen. Die rechtzeitige Anlieferung des Bodens sei für den Abschluss der Bauarbeiten bis spätestens Ende November 2023 essentiell. Um einer Verzögerung der Baumaßnahme vorzubeugen, sei es erforderlich, die Verwendung von Austauschmaterialien auszuschließen, die möglicherweise nicht zum erforderlichen Zeitpunkt aus anderen Baumaßnahmen beschafft werden könnten. Im Übrigen sei der von der Antragstellerin angebotene Preis unauskömmlich. Der berücksichtigte Arbeitseinsatz sei wesentlich zu gering bemessen, während der gegenzurechnende Tonnagepreis für das Einbaumaterial überproportional zum Negativpreis beitrage, wodurch eine unzulässige Mischkalkulation vorliege und das Angebot auch aus diesem Grund auszuschließen sei.

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat die Vergabekammer das Vergabeverfahren in den Stand vor Ablauf der Angebotsfrist versetzt. Dem Antrag, den Antragsgegner anzuweisen, eine neue Angebotswertung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen, ist die Vergabekammer nicht gefolgt. Die Antragstellerin sei ihrer Rügeobliegenheit nachgekommen. Sie habe nicht bereits aus den Vergabeunterlagen einen Verstoß gegen Vergabevorschriften erkennen können. Der Antragsgegner habe nicht vorgetragen, dass in der Branche der Antragstellerin Kenntnisse über ein Verbot negativer Preise üblich sei. Der Umstand, dass die Antragstellerin bereits mehrfach sich an Vergabeverfahren beteiligt gehabt habe, besage nicht, dass das Verbot negativer Einheitspreise einen Vergaberechtsverstoß darstellen könne. Der Ausschluss des Angebots verletze die Antragstellerin in ihren Rechten. Das Verbot, Angebote mit negativen Einheitspreisen einzureichen, sei unzulässig. Diese Form der Festlegung von Mindestpreisen schränke die Kalkulationsfreiheit der Bieter unrechtmäßig ein. Das Angebot eines negativen Preises sei auch kein in den Vorschriften benannter Ausschließungsgrund.

Mit seiner sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsgegner die vollständige Zurückweisung des Nachp...

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