Entscheidungsstichwort (Thema)
Reststrafenaussetzung. nachträgliche Gesamtstrafe
Leitsatz (amtlich)
Zur Konkurrenz von nachträglicher Gesamtstrafenbildung und Reststrafenaussetzung
Der Entscheidung über die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe kommt gegenüber der Entscheidung über die Aussetzung einer Reststrafe zur Bewährung jedenfalls kein genereller Vorrang zu.
Normenkette
StGB §§ 57, 55; StPO § 460
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 16.08.2017; Aktenzeichen 12 StVK 337-338/17) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 16.08.2017 wird kostenpflichtig ( § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO ) als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Der Verurteilte befindet sich seit dem 09.02.2016 zur Verbüßung der Strafen aus folgenden Erkenntnissen in der Justizvollzugsanstalt X.:
1. In dem seit 04.04.2017 nach Berufungsrücknahme rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts X. vom 21.10.2015 (35 Ds 510 Js 20106/14) war auf zwei Gesamtstrafen erkannt worden.
Weil zwei der fünf abgeurteilten Taten - zwei Fälle des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, Nötigung und fahrlässiger Körperverletzung - vor dem Urteil des Amtsgerichts X. vom 13.11.2014 (32 Ds 230 Js 16127/14) begangen wurden, durch das der Verurteilte wegen Diebstahls in drei Fällen sowie wegen Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung verurteilt wurde, wurde mit den dort festgesetzten Einzelstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat gebildet.
Drei danach liegende Fälle des Diebstahls wurden mit Einzelfreiheitsstrafen von jeweils einem Monat geahndet. Da diese Taten vor dem Erlass des Strafbefehls des Amtsgerichts X. vom 21.07.2015 (34 Cs 512 Js 21024/15) begangen wurden, mit dem wegen Körperverletzung auf eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10 € erkannt worden war, wurden alle diese Strafen auf eine weitere Gesamtstrafe von zwei Monaten zurückgeführt.
2. Durch Urteil des Amtsgerichts X. vom 30.11.2015 (im Bundeszentralregister ist insoweit fälschlich der "12.11.2015" als Verkündungsdatum ausgewiesen), nach Berufungsrücknahme rechtskräftig seit 09.02.2016 (20 Ls 230 Js 29934/15), wurde wegen räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit Körperverletzung (Tatzeit: 20.07.2015) auf die Freiheitsstrafe von einem Jahr erkannt.
In diesem Verfahren befand sich der Verurteilte seit dem 30.10.2015 in Untersuchungshaft. Diese wurde vom 20.11.2015 bis zum 07.02.2016 zur Vollstreckung zweier Ersatzfreiheitsstrafen unterbrochen, und zwar bezüglich des - später in die oben unter 1. aufgeführte Verurteilung einbezogenen - Strafbefehls des Amtsgerichts X. vom 21.07.2015 sowie des weiteren Strafbefehls des Amtsgerichts X. vom 29.07.2015 (34 Cs 230 Js 22217/15), durch den wegen eines am 10.07.2015 begangenen Diebstahls eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10 € festgesetzt worden war.
Die Strafen aus den Urteilen vom 21.10.2015 und vom 30.11.2015 werden seit dem 09.02.2015 vollstreckt, wobei zwei Drittel am 05.06.2017 verbüßt waren. Als Strafende ist der 27.02.2018 notiert.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16.08.2017, der dem Verurteilten am 21.08.2017 zugestellt wurde, hat die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht X. die Aussetzung der Reststrafen zur Bewährung abgelehnt. Hiergegen richtet sich die am 22.08.2017 eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten.
II.
Die gemäß § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
1. Einer Entscheidung der Strafvollstreckungskammer über die Reststrafenaussetzung steht nicht entgegen, dass nach Aktenlage hinsichtlich der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts X. vom 21.10.2015, die in die Gesamtstrafe von zwei Monaten eingeflossen sind, der Strafe aus dem Urteil vom 30.11.2015 sowie der Geldstrafen aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts X. vom 21.07.2015 und vom 29.07.2015 die Voraussetzungen für die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB vorliegen.
a) Die Notwendigkeit einer (neuen) nachträglichen Gesamtstrafenbildung ergibt sich daraus, dass die Taten, die den vorgenannten Strafen zugrundeliegen, sämtlich vor dem eine Zäsur begründenden Strafbefehl des Amtsgerichts X. vom 21.07.2015 begangen wurden. Dass die zäsurbildende Verurteilung - ebenso wie die weitere Verurteilung durch den Strafbefehl vom 29.07.2015 - inzwischen durch Vollstreckung vollständig erledigt ist, steht dem nicht entgegen, nachdem die Erledigung erst nach der letzten Hauptverhandlung, in der eine Entscheidung über die Bildung der nachträglichen Gesamtstrafe zu treffen gewesen wäre, eingetreten ist und noch nicht alle gesamtstrafenfähigen Verurteilungen erledigt sind (BGH NStZ-RR 2007, 369; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 460 Rn. 13; Löwe/Rosenberg-Graalmann-Scherer, StPO, 26. Aufl., § 460 Rn. 16; Karlsruher Kommentar-Appl, StPO, 7. Aufl., § 460 Rn. 10).
b) Ungeachtet dessen war die Strafvollstreckungskammer gemäß §§ 57 StGB , 45...