Leitsatz (amtlich)
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung über die Zulassung der Nebenintervention entfällt mit dem rechtskräftigen oder sonst endgültigen Abschluss der Hauptsache; über die Kosten der Nebenintervention ist nicht im Zwischenstreit zu entscheiden (Anschluss BGH NJW-RR 2015, 992).
2. Der Haftpflichtversicherer verletzt seine Pflicht zur Interessenwahrung des Versicherungsnehmers, wenn er dem Haftpflichtprozess auf Seiten der Gegenpartei beitritt (Anschluss OLG München VersR 2009, 822).
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 21.07.2016; Aktenzeichen 2 O 492/15) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen die Zulassung der Nebenintervention im Urteil des LG Karlsruhe vom 21.07.2016 - 2 O 492/15 - wird verworfen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I. Das Beschwerdeverfahren betrifft die Zulassung einer Nebenintervention.
Im Hauptprozess hat die Klägerin die Beklagte wegen vertraglicher Pflichtverletzungen auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Beklagte hat der Nebenintervenientin (als ihrem Haftpflichtversicherer) den Streit verkündet. Die Nebenintervenientin hat den Beitritt auf Seiten der Klägerin erklärt und zur Begründung angeführt, der Beklagten falle vorsätzliches Handeln zur Last, so dass kein Versicherungsschutz bestehe. Die Beklagte hat daraufhin beantragt, die Nebenintervention zurückzuweisen. Mit Urteil vom 21.07.2016 hat das LG der Klage in der Hauptsache stattgegeben und die Kosten - einschließlich der Kosten der Nebenintervention - der Beklagten auferlegt. In den Urteilsgründen ist ausgeführt, dass der Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention unbegründet sei.
Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention weiter. Das LG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 12.09.2016 nicht abgeholfen. Die Verurteilung in der Hauptsache ist mittlerweile rechtskräftig.
II. Die sofortige Beschwerde ist unzulässig. Sie ist zwar nach § 71 Abs. 2 ZPO grundsätzlich statthaft (auch wenn, wie hier, die Entscheidung über die Zulassung der Nebenintervention im Rahmen des Endurteils erfolgt, vgl. BGH NJW 2002, 1872; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 71 Rn. 5 mwN.) und zudem form- und fristgerecht eingelegt worden. Jedoch ist das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Nachdem die Beklagte das Rechtsmittel trotz gerichtlichem Hinweis nicht für erledigt erklärt hat, war es als unzulässig zu verwerfen.
Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung über die Zulassung der Nebenintervention entfällt mit dem rechtskräftigen oder sonst endgültigen Abschluss der Hauptsache (allg. Meinung, etwa BGH NJW-RR 2015, 992 Rn. 6; OLG Nürnberg MDR 1994, 834; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 71 Rn. 6; Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., § 71 Rn. 9; MünchKomm-ZPO/Schultes, 5. Aufl., § 71 Rn. 10; Wieczorek/Schütze/Mansel, ZPO, 3. Aufl., § 71 Rn. 31). Das gilt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur für eine Beschwerde des Nebenintervenienten im Fall der Zurückweisung (dazu OLG Nürnberg aaO.), sondern auch für die entgegengesetzte Beschwerde einer Hauptpartei im Fall der Zulassung der Nebenintervention (dazu BGH aaO.). In beiden Fällen erledigt sich der Zwischenstreit mit dem Abschluss der Hauptsache. Denn Zweck der Nebenintervention ist die Unterstützung der Hauptpartei (§ 66 Abs. 1 ZPO; vgl. auch MünchKomm-ZPO/Schultes aaO. § 66 Rn. 1). Dieser Zweck kann nicht mehr erreicht und - aus Sicht der gegnerischen Hauptpartei - auch nicht mehr verhindert werden, wenn die Hauptsache beendet ist (vgl. BGH NJW 1991, 229). Damit wird der Zwischenstreit gegenstandslos. Denn er dient allein der Klärung, ob die Unterstützung im laufenden Prozess ermöglicht oder verhindert werden soll.
Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt aus der Interventionswirkung des § 68 ZPO nichts anderes. Diese ist von vornherein nicht einschlägig. Nach § 68 ZPO kann sich der Nebenintervenient im Verhältnis zu der Hauptpartei nicht darauf berufen, dass der Hauptprozess unrichtig entschieden worden sei. Die Vorschrift schafft damit eine rechtskraftähnliche Bindungswirkung für den Folgeprozess zwischen dem Nebenintervenienten und der von ihm im Erstprozess unterstützten Hauptpartei, und zwar einseitig zu Lasten des Nebenintervenienten (vgl. Zöller/Vollkommer aaO. § 68 Rn. 1, 6); sie kommt damit nur dann zum Tragen, wenn und soweit die unterstützte Hauptpartei (hier die Klägerin) im Erstprozess unterliegt. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Interventionswirkung bereits dann eintritt, wenn die Nebenintervention nicht wirksam zurückgewiesen worden ist; eine eigenständige Prüfung, ob die Voraussetzungen der Nebenintervention nach § 66 ZPO vorlagen, erfolgt im Folgeprozess nicht (Zöller/Vollkommer aaO. § 68 Rn. 3; vgl. auch BGH WM 1976, 56). Ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis für den Zwischenstreit lässt sich daraus aber nicht ableiten. Die Interventionswirkung des § 68 ist nicht Ziel und Zweck der Nebenintervention, sonde...