Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung der Rechtswidrigkeit bei Erzwingungshaft
Leitsatz (amtlich)
Die ausnahmsweise nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Anordnung von Erzwingungshaft nach § 96 OWiG kommt grundsätzlich nicht in Betracht, wenn vor Erlass des anordnenden Beschlusses zwar weder ein Beitreibungsversuch unternommen noch dem Betroffenen rechtliches Gehör gewährt worden war, die Erzwingungshaft jedoch nicht vollstreckt wurde.
Normenkette
StPO § 310; OWiG §§ 96, 104; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Heidelberg (Entscheidung vom 31.07.2015; Aktenzeichen 11 Qs 16/15) |
Tenor
- Die sofortige Beschwerde und die weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichts Heidelberg vom 31. Juli 2015 sind erledigt.
- Der Antrag des Betroffenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beschlüsse des Amtsgerichts Heidelberg vom 11. Juni 2015 und des Landgerichts Heidelberg vom 31. Juli 2015 wird als unzulässig zurückgewiesen.
- Der Betroffene hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der als Rechtsanwalt tätige Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 29.10.2014 - 3 OWi 510 Js 18604/14 - wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 120 EUR verurteilt. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wurde durch Senatsbeschluss vom 06.02.2015 - 2 (6) SsRs 18/15 - als unbegründet verworfen.
Mit Kostenansatz der Staatsanwaltschaft Heidelberg vom 03.03.2015 - 685 VRs 510 Js 18604/14 - wurden dem Beschwerdeführer Geldbuße und Gerichtskosten in Höhe von zusammen 855,02 EUR in Rechnung gestellt. Nachdem - laut Vermerk der Staatsanwaltschaft - nach Fristablauf und Mahnung keine Zahlung erfolgt war, beantragte die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 08.06.2015 beim Amtsgericht Heidelberg die Anordnung von Erzwingungshaft. Mit Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 11.06.2015 wurden gegen den Beschwerdeführer - ohne Gewährung rechtlichen Gehörs - kostenpflichtig vier Tage Erzwingungshaft angeordnet. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer unter seiner zwischenzeitlich neuen Anschrift XXX in XXX am 02.07.2015 durch Einlegung in den Briefkasten mit Rechtsmittelbelehrung (sofortige Beschwerde) zugestellt. Nachdem kein Rechtsmittel eingegangen war, beurkundete das Amtsgericht Heidelberg den Beschluss als rechtskräftig seit dem 10.07.2015. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Heidelberg vom 14.07.2015 wurde dem Beschwerdeführer eine Ladung zum Antritt der Erzwingungshaft am 10.08.2015 übersandt.
Durch Schriftsatz vom 21.07.2015, beim Amtsgericht Heidelberg eingegangen am selben Tag, legte der Beschwerdeführer gegen den Beschluss vom 11.06.2015 sofortige Beschwerde ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Beschwerdefrist. Zur Begründung führte er aus, den Beschluss wegen dreiwöchiger Urlaubsabwesenheit an diesem Tag erstmals zur Kenntnis genommen zu haben. Ferner bezweifelte er die Rechtskraft des Urteils vom 29.10.2014, da er - möglicherweise im Zusammenhang mit seinem Umzug - keine Entscheidung über seinen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde erhalten habe. Zugleich legte er eine Quittung über die am 21.07.2015 erfolgte vollständige Zahlung der Geldbuße vor. Durch Beschluss des Landgerichts Heidelberg - Kammer für Bußgeldsachen - vom 31.07.2015 - 11 Qs 16/15 OWi - wurden die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt. Zur Begründung führte die Kammer aus, dass der Betroffene die vorgetragene Urlaubsabwesenheit nicht glaubhaft gemacht habe. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 03.08.2015 ohne Rechtmittelbelehrung formlos übersandt (vgl. jedoch § 46 Abs. 3 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG).
Mit Schriftsatz vom 14.08.2015, beim Landgericht Heidelberg eingegangen am selben Tag, legte der Beschwerdeführer gegen den vorgenannten Beschluss "weitere Beschwerde" ein und erhob hilfsweise eine Gehörsrüge. Er ist der Rechtsansicht, dass die weitere Beschwerde statthaft sei, da es sich bei Erzwingungshaft um eine "Verhaftung" im Sinne des § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG handele. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz verwiesen. Mit Beschluss vom 24.08.2015 half das Landgericht Heidelberg der Beschwerde nicht ab.
Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe beantragte unter dem 02.09.2015, die Beschwerde zu verwerfen, da sie nach § 310 Abs. 2 StPO unzulässig sei.
Auf Veranlassung des Senats im Hinblick auf die Zahlung der Geldbuße (vgl. Göhler/Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 96 Rn. 33 und § 97 Rn. 7; KK-Mitsch, OWiG, 4. Aufl., § 96 Rn. 37 und § 97 Rn. 14) hob das Amtsgericht Heidelberg mit Beschluss vom 28.10.2015 den Beschluss vom 11.06.2015 auf.
Mit ausführlich begründeten Schriftsätzen vom 29.11.2015 (16 Seiten), 22.12.2015 (vier Seiten) und 11.01.2016 (15 Seiten), auf deren Inhalt verwiesen wird, teilte der Beschwerdeführer die Aufrechterhaltung sein...