Leitsatz (amtlich)
Erledigt sich das Verfahren durch Rechtsmittelrücknahme, so beginnt die Frist nach § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG erst mit der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts nach § 516 Abs. 3 ZPO.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird die Festsetzung des Streitwerts in dem Beschluss des Landgerichts Baden-Baden vom 14. Juni 2022, Az. 3 O 25/21, auf bis 60.000 EUR geändert.
Gründe
I. Der Kläger erhob im Rahmen seiner auf die Behauptung einer Abgas-"Manipulation" an dem von ihm erworbenen Neufahrzeug gestützten Klage Anspruch gegen die zu 1 beklagte Verkäuferin auf Erstattung des Kaufpreises (59.440 EUR) sowie - nach Klageerweiterung am Tag vor dem letzten Verhandlungstermin des Landgerichts - von Aufwendungen für nachträgliche Einbauten in das Fahrzeug (3.143,92 EUR), zusammen 62.583,92 EUR, abzüglich einer von der Beklagten noch darzulegenden Nutzungsentschädigung, für deren Berechnung eine erreichbare Gesamtlaufleistung von mindestens 400.000 km und eine bei zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erreichte Laufleistung von 26.204 km anzusetzen seien, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs. Daneben begehrte er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten zu 1 sowie der Verpflichtung der zum Herstellerkonzern gehörenden Beklagten zu 2 und zu 3, ihm Schadensersatz für Schäden leisten, die aus der behaupteten Manipulation des Fahrzeugs durch die Beklagte zu 2 resultieren, ferner die Verurteilung sämtlicher Beklagten zur Freistellung des Klägers von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit des gegen die Beklagten zu 2 und zu 3 gerichteten Feststellungsantrags nahm er diese im selben Umfang wie die Beklagte zu 1 auf Zahlung unter Abzug von Nutzungsentschädigung und Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs in Anspruch und begehrte die Feststellung deren Annahmeverzugs und Verpflichtung, dem Kläger darüber hinaus Schadensersatz für weitere Schäden aufgrund einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu leisten.
Das Landgericht hat den Streitwert bei der Schließung der mündlichen Verhandlung auf 125.667,84 EUR festgesetzt.
Eine gegen das anschließende klageabweisende Urteil des Landgerichts eingelegte Berufung (Az. 6 U 292/22 des Senats) hat der Kläger mit beim Berufungsgericht am 4. November 2022 eingereichtem Schriftsatz zurückgenommen. Am 7. November 2022 hat der Senat im Berufungsverfahren beschlossen, dass der Kläger des eingelegten Rechtsmittels der Berufung verlustig und verpflichtet ist, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen, sowie den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 58.398,35 EUR festgesetzt. Dies hat der Senat mit Beschluss vom 22. Dezember 2022 dahin ergänzt, dass der Kläger auch verpflichtet ist, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten der Streithelferin der Beklagten zu 1 zu tragen. Mit Beschlüssen vom 25. und 29. November 2022 hat das Landgericht Baden-Baden insbesondere die für die erste Instanz vom Kläger an die Beklagten zu erstattenden Kosten festgesetzt, wogegen der Kläger kein Rechtsmittel eingelegt hat.
Mit am 5. Mai 2023 beim Landgericht eingereichtem Schriftsatz hat der Kläger Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung in dem Beschluss vom 14. Juni 2022 eingelegt und beantragt den Streitwert auf bis zu 58.398,35 EUR festzusetzen. Das Landgericht hat die Beklagten angehört. Die Beklagten zu 2 und zu 3 und die Streithelferin der Beklagten zu 1 sind der Beschwerde entgegengetreten. Das Landgericht hat beschlossen, der Beschwerde nicht abzuhelfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beschwerde sei unzulässig, weil sie ist nicht innerhalb der Frist nach § 63 Abs. 3 Satz 2, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG eingegangen sei, die mit Eingang der Berufungsrücknahme beim Berufungsgericht begonnen habe.
II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
a) Wie das Landgericht richtig ausgeführt hat, ist die nach § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthafte Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren nach § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist, von einer hinreichenden Beschwer des Klägers (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG) getragen.
b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist sie auch binnen der nach § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG maßgeblichen Frist gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG eingereicht.
Die Beschwerdefrist beträgt nach dieser Vorschrift sechs Monate, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Sie ist im Streitfall gewahrt. Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts beruht darauf, dass dieses den Fristbeginn in unzutreffender Gesetzesauslegung an die Wirksamkeit der Berufungsrücknahme geknüpft hat, die es - insoweit zutreffend - in deren Eingang beim Berufungsgericht am 4. November 2022 erkannt hat. Bei richtiger Auslegung des Gesetzes begann die Frist aber jedenfalls nicht vor Erlass des Beschlusses vom 7. November 2022 über den Verlust des Rechtsmittels und ...