Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückverweisung aufgrund von Verfahrensmängeln
Leitsatz (amtlich)
Der Kindeswille kann nicht aus dem Vortrag eines Beteiligten abgeleitet werden, sondern ist im Rahmen der Amtsermittlung unter Ausschöpfung der nach Lage des Einzelfalls gebotenen Erkenntnismittel, insbesondere durch persönliche Anhörung des Kindes und Bestellung eines Verfahrensbeistands, zu ermitteln.
Normenkette
FamFG §§ 26, 158 Abs. 1-2, 3 S. 1, Abs. 3, § 159 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Villingen-Schwenningen (Beschluss vom 25.10.2023; Aktenzeichen 2 F 185/23) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Villingen-Schwenningen vom 25.10.2023 (2 F 185/23) einschließlich des Verfahrens aufgehoben.
2. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung und zwar auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Amtsgericht - Familiengericht - Villingen-Schwenningen zurückverwiesen.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist eine sorgerechtliche Streitigkeit.
Die Beteiligten sind die nicht miteinander verheirateten und bislang gemeinsam sorgeberechtigten Eltern des Kindes K, geboren am .... Nach ihrer im März 2019 erfolgten Trennung vereinbarten die Eltern, dass ihre am ... geborene Tochter T... bei der Antragstellerin (im Folgenden: Mutter) und K beim Antragsgegner (im Folgenden: Vater) leben solle. Ab Mai 2019 lebte K daher beim Vater, in dessen Haushalt zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt danach auch dessen neue Lebensgefährtin Frau G mit ihrer etwa im Jahr ... geborenen Tochter S einzog. Die Mutter lebt mit T, ihrem heutigen Ehemann und einer weiteren, der Ehe entstammenden Tochter in einem gemeinsamen Haushalt. Die Kinder K und T verbrachten die Wochenenden und Ferien gemeinsam bei Vater und Mutter im Wechsel.
Im April 2022 wurde dem Jugendamt des Landkreises ... anonym gemeldet, dass bezüglich des Kindes K eine Kindeswohlgefährdung bestehe. Der Vater habe ein Alkoholproblem und sei psychisch instabil. Es liege ein psychischer Missbrauch des Kindes vor.
Im Rahmen eines daraufhin erfolgten Hausbesuchs des Jugendamtes am 16.05.2022 teilte der Vater mit, dass er in der Vergangenheit einen Suizidversuch und einen erweiterten Suizidversuch unternommen habe. Daraufhin sei er 19 Wochen lang in der Psychiatrie behandelt worden.
Vom 17.01.2023 bis zum 27.04.2023 unterzog sich der Vater wegen einer schweren depressiven Episode in Kombination mit einer posttraumatischen Belastungsstörung und Alkoholabhängigkeit erneut einer stationären psychiatrischen Behandlung. K wurde in dieser Zeit von der Lebensgefährtin des Vaters betreut. Diese informierte das Jugendamt im Januar 2023 über diesen Umstand. Am 20.04.2023 teilte Frau G dem Jugendamt mit, dass sie sich nun selbst einer psychologischen Behandlung in einer Tagesklinik unterziehen müsse und daher eine Tagesmutter für K benötige. Ab dem 02.05.2023 wurde der Familie eine Tagesmutter gestellt, die K täglich ab Kindergartenende bis 17:00 Uhr bei sich zu Hause betreute.
Durch zwei weitere anonyme Meldungen vom 22.06.2023 und 26.06.2023 wurde dem Jugendamt mitgeteilt, dass der Vater weiterhin ein massives Alkoholproblem habe und sich aktuell zur Alkoholentwöhnung in einer Fachklinik aufhalte. Er werde K im Juli 2023 allein betreuen, da Frau G dann ebenfalls eine Kur antreten werde.
In einem daraufhin initiierten Gespräch mit dem Jugendamt erklärte der Vater, dass er im Dezember 2022 wieder begonnen habe, regelmäßig Alkohol zu konsumieren, dies allerdings nur abends, wenn K im Bett gewesen sei. Deshalb sei er ab Januar stationär behandelt worden. Aktuell sei er an die Fachstelle Sucht in ... angebunden. Bei seiner Hausärztin lasse er sich zum Abstinenznachweis alle drei Wochen Blut abnehmen. Er könne seinen Alltag ohne Alkohol bewältigen.
Nachforschungen des Jugendamts ergaben dessen Bericht vom 23.01.2024 zufolge, dass der Vater insgesamt zu lediglich drei Gesprächen bei der Fachstelle Sucht, zuletzt im April 2023, erschienen ist. Danach habe er eine Therapie in ... absolvieren sollen, habe diese aber nach nur einem Tag wieder abgebrochen und sich seitdem auch nicht mehr bei der Fachstelle Sucht gemeldet. Die Hausärztin des Vaters teilte dem Jugendamt mit, dass der Vater zuletzt im Mai 2022 in ihrer Praxis gewesen sei. Damals sei ein massiver Alkoholrückfall zu verzeichnen gewesen. Im Januar 2023 habe er zusammen mit seiner Lebensgefährtin um eine Überweisung in den stationären Alkoholentzug gebeten. Nach seiner Entlassung aus dem ... Hospital habe er sich ab Mai 2023 nur wegen Krankschreibungen in der Praxis gemeldet.
Am 24.07.2023 teilte Frau G dem Jugendamt telefonisch mit, dass sie sich vom Vater getrennt habe. Ihre Tochter habe ihr berichtet, dass der Kühlschrank leer sei und der Vater ihr kein Vesper gerichtet, sondern geschlafen habe. Daraufhin führte das Jugendamt am selben Tag einen unangekündigten Hausbesuch beim V...