Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückverweisung eines Verfahrens wegen Auswahl des Vormunds aufgrund von Verfahrensmängeln

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die persönliche Anhörung eines Kindes durch den für die Auswahl eines Vormunds zuständigen Rechtspfleger ist auch dann erforderlich, wenn das Kind zuvor in einem sorgerechtlichen Verfahren durch den Richter angehört wurde.

2. Zur Notwendigkeit der Bestellung eines Verfahrensbeistands für das Kind in Verfahren über die Auswahl des Vormunds.

 

Normenkette

BGB § 1778; FamFG §§ 26, 69 Abs. 1 S. 3, § 158 Abs. 1, 3, § 159 Abs. 1-2, § 168 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 11.01.2024; Aktenzeichen 704 F 2949/23)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Vormunds wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg vom 11.01.2024 (704 F 2949/23) einschließlich des zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht - Familiengericht - Freiburg zurückverwiesen.

2. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Gegenstand des Verfahrens ist die Bestellung eines Vormunds für den Minderjährigen M. (im Folgenden: Betroffener).

Der Betroffene wurde am ... geboren und ist syrischer Staatsangehöriger. Seine Eltern, H. und N., und seine fünf jüngeren Geschwister leben in Syrien. Er reiste am 14.07.2023 mit seiner am ... geborenen Tante Frau A. (im Folgenden: Tante) sowie weiteren Verwandten nach Deutschland ein, nachdem sie sich seit 2022 in der Türkei aufgehalten hatten.

Mit Schreiben vom 10.10.2023 beantragte das Jugendamt des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald beim Amtsgericht - Familiengericht - Freiburg die Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge sowie die Einrichtung einer Vormundschaft für den Betroffenen. Dabei empfahl es die Bestellung der Tante als Vormund, da sie eine enge Bezugsperson des Betroffenen sei und mit dessen Eltern vereinbart habe, für ihn Sorge zu tragen. Sie habe Verwandte, die schon seit Längerem in Stuttgart lebten, und sie unterstützen könnten. Auch dürfe der Betroffene aufgrund der Regelungen der Gemeinschaftsunterkunft als Minderjähriger dort lediglich zusammen mit einer sorgeberechtigten Person untergebracht sein. Werde die Tante also nicht zum Vormund bestellt, müsse der Betroffene in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht werden.

Am 31.10.2023 hörte das Amtsgericht den Betroffenen, die Tante und Vertreterinnen des Jugendamts persönlich an. Dabei erklärte die Tante, dass sie bereit sei, die Vormundschaft für den Betroffenen zu übernehmen. Mit Beschluss vom selben Tag stellte das Amtsgericht Freiburg (44 F 2797/23) fest, dass die elterliche Sorge über den Betroffenen ruht, und ordnete Vormundschaft an. Die Bestellung eines Vormunds behielt es einer gesonderten Entscheidung vor.

Nachfolgend bestellte das Amtsgericht - Familiengericht - Freiburg durch Beschluss vom 14.11.2023 das Jugendamt des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald zum vorläufigen Vormund für den Betroffenen.

Auf Anfrage der zuständigen Rechtspflegerin teilte der vorläufige Vormund mit Schreiben vom 28.11.2023 mit, dass die Ausstellung einer Sorgerechtsvollmacht an die Tante abgelehnt werde. Stattdessen werde die Übertragung der Vormundschaft auf die Tante befürwortet. Nach Einschätzung des zuständigen Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) des Jugendamts zeige sich die Tante bisher in der Zusammenarbeit mit dem Jugendamt sehr bemüht und zuverlässig. Unterstützung könne sie durch die in der Gemeinschaftsunterkunft arbeitenden Sozialarbeiter erhalten. Zusätzlich beabsichtige der ASD die Einrichtung einer sozialpädagogischen Familienhilfe für die Tante und den Betroffenen.

Am 19.12.2023 teilte die Rechtspflegerin dem Jugendamt schriftlich mit, dass nicht beabsichtigt sei, die Tante nur deshalb als Vormund zu bestellen, weil sie ansonsten nicht mit dem Mündel in der Gemeinschaftsunterkunft verbleiben könne. Es werde daher voraussichtlich das Jugendamt als Vormund bestellt werden.

Hierauf entgegnete das Jugendamt mit Schreiben vom 21.12.2023, dass eine Zusammenarbeit mit der Tante bisher gut und unkompliziert möglich gewesen sei. Es sei aber dem Amtsvormund nicht möglich, eine Sorgerechtsvollmacht für eine Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft auszustellen. Eine Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft ohne Personensorgeberechtigten sei für Minderjährige nicht förderlich. Die Bestellung eines Amtsvormunds wäre daher mit einer Trennung des Betroffenen von seiner Tante verbunden, zu der er eine enge Bindung habe. Der Betroffene befinde sich bereits seit 2022 in der Obhut seiner Tante. Sie sei seine Hauptbezugsperson. Es werde daher weiterhin für die Bestellung der Tante als Vormund plädiert.

Mit Beschluss vom 11.01.2024 bestellte das Amtsgericht Freiburg das Jugendamt des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald als Vormund. Zur Begründung führte es aus, dass die Tante, die selbst erst im Juli 2023 nach Deutschland...

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