Leitsatz (amtlich)

1. Wird eine erstinstanzlich ausgeurteilte einstweilige Verfügung durch Berufungsurteil in nicht nur geringfügiger Weise abgeändert, so beginnt die Vollziehungsfrist neu zu laufen.

2. Die Abänderung einer auf den Abdruck einer Gegendarstellung gerichteten einstweiligen Verfügung ist dann geringfügig, wenn sie sich auf die Schriftgröße und - damit zusammenhängend - auf die von der Gegendarstellung einzunehmende Fläche beschränkt, den Text aber unverändert lässt.

 

Normenkette

ZPO §§ 888, 927, 929 Abs. 2, § 936

 

Verfahrensgang

LG Offenburg (Beschluss vom 09.05.2008; Aktenzeichen 3 O 423/07)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des LG Offenburg vom 9.5.2008 - 3 O 423/07 - wird als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Schuldnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 30.000 EUR festgesetzt.

4. Der Antrag der Schuldnerin auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des LG Offenburg vom 9.5.2008 - 3 O 423/07 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. In lediglich auf die Schriftgröße bezogener Abänderung des Urteils des LG Offenburg vom 26.11.2007 - 3 O 423/07, welches ihr von Amts wegen am 28.11.2007 und im Parteibetrieb am 30.11.2007 zugestellt worden war, wurde die damalige (Verfügungs-) Beklagte (Schuldnerin) durch rechtskräftiges Berufungsurteil des OLG Karlsruhe vom 29.2.2008 (14 U 199/07) - den Parteien jeweils am 10.3.2008 von Amtswegen zugestellt - verpflichtet, in der Zeitschrift "F. R." eine Gegendarstellung zu veröffentlichen, wegen deren Inhalts auf AS 219 verwiesen wird. Da die Veröffentlichung nicht erfolgt ist, hat das LG auf Antrag des Gläubigers vom 3.4.2008, welcher in der - den Antrag der Schuldnerin vom 16.4.2008 auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung (§ 927 ZPO) betreffenden - mündlichen Verhandlung vom 6.5.2008 modifiziert wurde, durch am 14.5.2008 zugestellten Beschluss vom 9.5.2008 gegen die Beklagte ein Zwangsgeld von 10.000 EUR, für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit für je 500 EUR jeweils ein Tag Zwanghaft, festgesetzt. Dagegen richtet sich die am 19.5.2008 beim OLG Karlsruhe eingegangene sofortige Beschwerde der Schuldnerin, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses verlangt. Sie ist der Auffassung, die einstweilige Verfügung vom 29.2.2008 sei mangels Vollziehung innerhalb der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO wirkungslos geworden, so dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Zwangsvollstreckungstitels vorlägen (§ 927 i.V.m. § 936 ZPO). Die Urteilsverfügung des LG habe nämlich durch das Berufungsurteil eine wesentliche inhaltliche Änderung erfahren, weswegen mit der Verkündung des Berufungsurteils eine neue Vollziehungsfrist zu laufen begonnen habe, innerhalb derer die einstweilige Verfügung aber nicht vollzogen worden sei.

II. Das gem. § 793 Abs. 1 ZPO zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung unter Bezugnahme auf die Gründe seines Urteils vom 9.5.2008, mit dem es den Antrag der Schuldnerin nach § 927 ZPO zurückgewiesen hat, ausgeführt:

Es sei zwar richtig, dass bei Abänderungen einer einstweiligen Verfügung eine neue Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO zu laufen beginne. Dies gelte aber nicht bei zulässigen geringfügigen Änderungen durch das Gericht. Von einer solchen zulässigen geringfügigen Änderung, die keine erneute Vollziehungsfrist habe in Lauf setzen können, sei im vorliegenden Fall auszugehen: Hinsichtlich des erstinstanzlichen Urteils habe der Gläubiger alles getan, um die Vollziehungsfrist nach den §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO zu wahren. Hinsichtlich des zweitinstanzlichen Urteils verbiete sich die Annahme einer wesentlichen Änderung, die aus Gründen des Schuldnerschutzes eine neuerliche Vollziehung erfordert hätte.

2. Diese Ausführungen sind uneingeschränkt richtig. Das hiergegen gerichtete Beschwerdevorbringen der Schuldnerin - die hierzu im Wesentlichen Bezug auf die Begründung ihrer Berufung gegen das ihren Aufhebungsantrag abweisende landgerichtliche Urteil vom 9.5.2008 genommen hat - gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.

Entgegen dem Vortrag der Schuldnerin hat das Berufungsurteil vom 29.2.2008 die erstinstanzlich ausgeurteilte einstweilige Verfügung nicht "wesentlich neu gefasst". Der Text der einstweiligen Verfügung wurde durch das Berufungsurteil nämlich nicht geändert. Eine Veränderung erfolgte nur insoweit, als die Schriftgröße und damit die durch die Gegendarstellung einzunehmende Fläche reduziert wurde. Die durch das Berufungsurteil angesprochene Verpflichtung stellt sich gegenüber derjenigen aus der im Übrigen bestätigten erstinstanzlichen Entscheidung als ein Weniger dar. In solchen Fällen bedarf es einer erneuten Vollziehung nicht (OLGReport Köln 2002, S. 363 f. m.w.N.). Angesichts dessen, dass - was auch in der Kostenscheidung des Berufungsurteils zum Ausdruck kommt - die durch die Urteilsverfügung des Berufungsgerichts erfolgte Änderung nur unw...

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