Leitsatz (amtlich)
Die Bindungswirkung einer Verweisung entfällt noch nicht dadurch, dass das Familiengericht diese trotz Anhaltspunkten für die Unrichtigkeit der von den Beteiligten übereinstimmend angenommenen Zuständigkeit des Verweisungsgerichts ohne weitere Sachverhaltsaufklärung beschließt.
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das Amtsgericht - Familiengericht - Bitburg bestimmt.
Gründe
I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind getrenntlebende Ehegatten. Der Scheidungsantrag des Antragstellers ging am 31.03.2023 beim Amtsgericht Heidelberg ein und wurde der Antragsgegnerin am 20.06.2023 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 28.06.2023 teilte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin mit, diese habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk des Amtsgerichts Bitburg. Das Amtsgericht Bitburg sei daher gemäß § 122 Nr. 4 FamFG ausschließlich zuständig. Nach Anhörung der Beteiligten hat das Familiengericht Heidelberg auf Antrag des Antragstellers das Verfahren mit Beschluss vom 18.07.2023 an das Amtsgericht Bitburg verwiesen, das das Verfahren mit Beschluss vom 31.07.2023 übernommen hat.
Die Antragsgegnerin hielt sich vom 01.06.2023 bis 18.09.2023 in einer Einrichtung für Asylbewerber im Amtsgerichtsbezirk Bitburg auf und lebt seit 19.09.2023 in einer entsprechenden Einrichtung in B. im Amtsgerichtsbezirk I..
Mit Beschluss vom 12.01.2024 hat sich das Familiengericht Bitburg, nach Anhörung der Beteiligten, für unzuständig erklärt und hat das Verfahren an das Amtsgericht Heidelberg zurückverwiesen. Der Verweisungsbeschluss des Familiengerichts Heidelberg sei willkürlich. Das Familiengericht Heidelberg habe es versäumt, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Der Verweisungsbeschluss entfalte daher keine Bindungswirkung. Die Antragsgegnerin habe keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Bitburg begründet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 12.01.2024 Bezug genommen.
Das Familiengericht Heidelberg hat das Verfahren dem Oberlandesgericht Karlsruhe zur Entscheidung über die Zuständigkeit vorgelegt.
II. Nachdem sich sowohl das Amtsgericht Heidelberg als auch das Amtsgericht Bitburg für örtlich unzuständig erklärt haben, hat der Senat gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 36 Abs. 2 ZPO das für das Verfahren örtlich zuständige Gericht zu bestimmen. Zuständig für das Verfahren ist das Amtsgericht Bitburg, da der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 18.07.2023 bindend ist.
Gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind Verweisungsbeschlüsse grundsätzlich bindend. Diese Bindungswirkung ist im Bestimmungsverfahren zu beachten. Deshalb ist grundsätzlich das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den ersten - bindenden - Verweisungsbeschluss gelangt ist. Dabei kommt einem Verweisungsbeschluss grundsätzlich auch dann Bindungswirkung zu, wenn er sachlich unrichtig ist oder auf Verfahrensmängeln beruht (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 281 Rn. 16). Ausnahmsweise entfaltet ein Verweisungsbeschluss keine Bindungswirkung, wenn der Verweisung jede rechtliche Grundlage fehlt, so dass sie als objektiv willkürlich erscheint (BGH NJW 2003, 3201). Dies ist der Fall, wenn der Verweisungsbeschluss nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BGH a.a.O.).
Nach diesem Maßstab ist der Verweisungsbeschluss des Familiengerichts Heidelberg bindend.
Beide Beteiligte sind im vorliegenden Fall übereinstimmend von einer Zuständigkeit des Amtsgerichts Bitburg ausgegangen. Die rechtliche Würdigung der Beteiligten, nach der die Antragsgegnerin bei Rechtshängigkeit ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Bitburg hatte, zugrunde gelegt, ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des Familiengerichts Bitburg aus § 122 Nr. 4 FamFG. Das Amtsgericht Heidelberg hat allerdings die tatsächlichen Voraussetzungen der von den Beteiligten vorgenommen rechtlichen Würdigung nicht überprüft und stattdessen die Sache ohne weiteres auf den entsprechenden Antrag hin verwiesen.
Das Gericht hat seine Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen, ohne dass jedoch eine Verpflichtung zur Amtsermittlung besteht (Patzina, Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020, § 12 Rn. 55 m.w.N.). Von Amts wegen sind Nachforschungen zur eigenen Zuständigkeit durchzuführen, falls Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der rechtlichen Bewertung und tatsächlichen Behauptung des Antragstellers bestehen. Nachdem die Antragsgegnerin bei Eingang des Antrags unstreitig noch in Hannover gelebt hat, bestand Anlass zur Prüfung der Frage, ob bei Rechtshängigkeit bereits ein gewöhnlicher Aufenthalt in Bitburg bestand. Eine Befassung mit dieser Frage drängte sich allerdings nicht derart auf, dass der Verweisungsbeschluss als schlechterdings nicht auf der Grundlage von § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann. Das Unterlassen weiterer Sachaufklärung stellt zwar einen Rechtsfehler dar, lässt die getroffene Entscheidung jedoch nicht als nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen (vgl. BGH, a.a.O.). Dem...