Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage der Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung wegen Verlusts der Kostendegression
Leitsatz (amtlich)
Die Geltendmachung einer zivilprozessualen Familiensache außerhalb des Scheidungsverbunds ist nicht mutwillig.
Verfahrensgang
AG Pforzheim (Beschluss vom 11.06.2003; Aktenzeichen 1 F 65/03) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - FamG - Pforzheim vom 11.6.2003 - 1 F 65/03 - aufgehoben, soweit das AG die Prozesskostenhilfe für die Anträge Nr. 1-3 der Klageschrift vom 6.12.2002 verweigert hat. Insoweit wird die Sache zur weiteren Behandlung an das AG Pforzheim zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
3. Die gerichtliche Verfahrensgebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.
Gründe
1. Die Ehe der Parteien ist geschieden. Die Antragstellerin begehrt Zugewinnausgleich durch Stufenklage (Anträge Nr. 1-3) in Verbindung mit einer Klage auf einen Teilbetrag von 12.500 Euro nebst Zinsen (Antrag Nr. 4). Die Klage sollte als Folgesache anhängig gemacht werden, ging jedoch erst nach der letzten mündlichen Verhandlung im Scheidungsverfahren ein.
Durch Beschluss vom 11.6.2003 hat das AG der Antragstellerin die Prozesskostenhilfe wegen Mutwilligkeit verweigert, weil sie die Klage ohne Grund außerhalb des "kostengünstigeren" Verbundverfahrens anhängig gemacht habe (AS 65). Der Beschwerde hat es mit Beschluss vom 7.7.2003 (AS 81) nicht abgeholfen; zusätzlich hat es darin für den Klageantrag Nr. 2 (Auskunft über den Wert der in der Auskunft gem. Nr. 1 der Klage aufgeführten Vermögensgegenstände und Vorlage der Belege) keine gesetzliche Grundlage gesehen und die Schlüssigkeit des Antrags Nr. 4 vermisst.
2. Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist teilweise gerechtfertigt.
a) Die Prozesskostenhilfe kann nicht wegen Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung § 114 ZPO) verweigert werden. Die Geltendmachung des Zugewinnausgleichsanspruchs außerhalb des Scheidungsverbunds ist nicht mutwillig.
Die Auffassung des AG entspricht allerdings der herrschenden Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 623 Rz. 24a), nicht aber der h.M. in der Literatur (Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 623 Rz. 24a; Wax in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 114 Rz. 144; Johannsen/Henrich/Thalmann, Eherecht, 4. Aufl., § 114 ZPO Rz. 25d; Handbuch Fachanwalt Familienrecht/Oelkers, 3. Aufl., Kap. 16 Rz. 72; wie die herrschende Rspr. dagegen Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 114 Rz. 7; Musielak/Fischer, ZPO, 3. Aufl., § 114 Rz. 36; differenzierend Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen, 2. Aufl., Rz. 198).
Schon die Prüfung anhand des allgemein verwendeten Kriteriums führt nicht zur Bejahung der Mutwilligkeit. Eine vermögende Partei in der Lage des Prozesskostenhilfe Begehrenden stellt nicht üblicherweise die von der herrschenden Rechtsprechung in den Vordergrund der Argumentation gestellten Kostenerwägungen an. Wax (Wax in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 114 Rz. 144) weist zutreffend auf die verbreitete Praxis isolierter Geltendmachung von als Folgesachen geeigneter Familiensachen durch vermögende Parteien hin.
Zudem ist die kostenbewusste vermögende Partei nicht auf die gesamten Kosten des Rechtsstreits, sondern in erster Linie allein auf die sie treffenden bedacht. Ihre Kosten durch eine obsiegende Entscheidung im isolierten Verfahren nach § 91 ZPO dem Gegner zu überbürden, statt sie über § 93a Abs. 1 ZPO mit ihm zu teilen, ist eine schutzwürdige Strategie. Zur Verminderung der gesamten Kosten infolge der Gebührendegression bei Geltendmachung im Verbund ist die Partei dagegen nicht aufgerufen. Dieser Gesichtspunkt führt dazu, jedenfalls in zivilprozessualen Streitigkeiten die Mutwilligkeit isolierter Geltendmachung einer Folgesache zu verneinen. Dazu gehört der vorliegende Zugewinnausgleichsstreit.
Darüber hinaus erscheint es überhaupt verfehlt, die Mutwilligkeit aus der Kostendegression im Verbundverfahren herzuleiten. Ein Verhalten ist nicht schon deshalb mutwillig, weil es nicht alle vorhandenen Rechtsschutzmöglichkeiten ausschöpft. Der Vorwurf der Mutwilligkeit kann nur erhoben werden, wenn es vorwerfbar Kosten verursacht hat. Vom Rechtsuchenden kann aber nicht die Kenntnis des gerichtlichen Gebührenrechts verlangt werden.
b) Das AG wird daher der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Stufenklage (Klageanträge Nr. 1-3) sowie die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe anhand der von ihm zurückbehaltenen PKH-Unterlagen zu prüfen haben. Zu diesem Zweck ist die Sache an das AG gem. § 572 Abs. 3 ZPO zurückzuverweisen. Dabei wird die Erfolgsaussicht des Antrags Nr. 2 (Auskunft über den Wert der im Bestandsverzeichnis aufgeführten Vermögensgegenstände und Vorlage von Belegen) nicht von vornherein mangels gesetzlicher Grundlage verneint werden können. § 1379 Abs. 1 S. 2 BGB gewährt dem Ehegatten einen Anspruch auf Ermittlung und Angabe des Werts von Gegenständen des Endvermö...