Entscheidungsstichwort (Thema)
sofortige weitere Beschwerde und Beschwerde
Verfahrensgang
LG Baden-Baden (Beschluss vom 21.07.2003; Aktenzeichen 1 T 6/03) |
Tenor
1. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Baden-Baden vom 21. Juli 2003 – 1 T 6/03 – aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das Landgericht Baden-Baden zurückverwiesen.
2. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Festsetzung des Geschäftswerts durch das Landgericht wird zurückgewiesen.
3. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind Mitglieder der Wohnungsgemeinschaft B.straße 86 in B.. Der Antragsteller hat seine Wohnung an den Zeugen T. vermietet. Mit der Behauptung, die Antragsgegnerin habe aus dem Briefkasten seines Mieters mehrere Briefe entwendet, hat der Antragsteller von der Antragsgegnerin Unterlassung verlangt. Das Amtsgericht hat mit rechtskräftigem Beschluss vom 14.8.2002 den Rechtsweg zur freiwilligen Gerichtsbarkeit für zulässig erklärt und nach Beweisaufnahme dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Landgericht, auf dessen Beschluss wegen des weiteren Sach- und Streitstands Bezug genommen wird, den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und den Antrag zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers, der die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses erstrebt sowie mit der Beschwerde die Heraufsetzung des Geschäftswerts auf 4.000,00 EUR, den das Landgericht im Beschluss für beide Verfahren in Abweichung vom Amtsgericht auf 1.000,00 EUR festgesetzt hat.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig und hat vorläufigen Erfolg.
Der Antragsteller macht in der sofortigen weiteren Beschwerde zu Recht geltend, dass sich ein Anspruch auf Unterlassung gegen die Antragsgegnerin aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer in Verbindung mit §§ 869, 861 oder 1004 BGB ergeben kann.
a) Dies ergibt sich allerdings nicht aus der Bindungswirkung des rechtskräftigen Beschlusses vom 14.08.2002, mit dem das Amtsgericht analog § 17 a GVG die Verfahrenszuständigkeit im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach §§ 43 ff. WEG angenommen hat.
Für die Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG ist allein entscheidend, ob das von einem Wohnungseigentümer in Anspruch genommene Recht oder die ihn treffende Pflicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen ist (vgl. BGHZ 130, 159, 165; Bärmann/Pick/Merle – Merle, Wohnungseigentumsgesetz, 9. Auflage, § 43 Rn. 6). Wie stets in Fragen der Zulässigkeit des Rechtswegs ist diese anhand des vom Antragsteller zur Entscheidung gestellten Begehrens zu ermitteln. Auch wenn danach das Wohnungseigentumsgericht zuständig ist, so bedeutet dies nicht, dass der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch sich auch zwingend aus dem Gemeinschaftsverhältnis ergeben muss. Eine solche Bindungswirkung gibt es nicht.
b) Der Senat kann sich jedoch der Rechtsauffassung des Landgerichts, eine Anspruchsgrundlage für das Unterlassungsbegehren des Antragstellers sei nicht ersichtlich, nicht anschließen.
Das Wohnungseigentumsgericht hat nach § 17 Abs. 2 GVG über den Anspruch eines Wohnungseigentümers unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Hier kommt ein Unterlassungsanspruch des Antragstellers – seinen Vorwurf als wahr unterstellt – sowohl aus §§ 862 Abs. 1 S. 2, 869 BGB als auch aus § 1004 BGB i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG in Betracht.
aa) Der Vermieter einer Wohnung ist gem. § 868 BGB mittelbarer Besitzer der Wohnung. Sein Besitz erstreckt sich auch auf die zu der Wohnung zugehörigen Nebenräume und Einrichtungen. Dazu gehört auch der Briefkasten. Wird die bestimmungsgemäße tatsächliche Nutzung der Sache durch einen Dritten durch verbotenen Eigenmacht, also widerrechtlich (§ 858 BGB) gestört, so hat der Besitzer gem. § 861 Abs. 1 S. 2 BGB einen Unterlassungsanspruch. Dieser steht gem. § 869 BGB auch dem mittelbaren Besitzer zu.
bb) Darüber hinaus kann der Wohnungseigentümer gegenüber den anderen Mitgliedern der Wohnungseigentumsgemeinschaft auch die allgemeinen Rechte der §§ 861 ff., 1004, 1007 BGB geltend machen, wenn diese ihre Pflichten aus dem Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander verletzen (vgl. nur Bärmann/Pick/Merle – Pick a.a.O., § 14 Rn. 67, § 13 Rn. 203 f.). Nach den bisherigen Feststellungen ist ein solcher Anspruch hier wegen einer Verletzung der Pflichten aus § 14 Nr. 1 WEG gegeben.
Die Briefkastenanlage an der Haustür des Mehrfamilienhauses steht im Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümer. Allerdings ist durch die Zuordnung der einzelnen Briefkästen zu den jeweiligen Wohnungen einvernehmlich ein Sondernutzungsrecht an...