Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung bei Außervollzugsetzung eines nationalen Haftbefehls in einem Auslieferungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
›Die Staatskasse trägt auch dann die notwendigen Auslagen des Verfolgten, wenn dessen Rechtsbeistand in Verhandlungen mit den Justizbehörden des EU-Mitgliedstaates eine Außervollzugsetzung des nationalen Haftbefehls erreicht, diese an der Vollstreckung ihres Europäischen Haftbefehls nicht mehr festhalten und die Generalstaatsanwaltschaft deshalb ihren Zulässigkeitsantrag zurücknimmt (Fortführung von OLG Karlsruhe - 1 AK 3/04 - 29.03.2005 - NStZ-RR 2005, 252 = AnwBl. 2005, 436).‹
Gründe
Nachdem die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe am 20.10.2006 ihren Antrag vom 7.9.2006, die Auslieferung des Verfolgten nach Polen für zulässig zu erklären, zurückgenommen hat, ist eine Senatsentscheidung hierüber entbehrlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 IRG i.V.m. § 467a Abs.1 StPO.
Auch die notwendigen Auslagen des Verfolgten fallen der Staatskasse zur Last. Dies ist immer dann der Fall, wenn eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung seitens der Generalstaatsanwaltschaft beantragt und die Auslieferung des Verfolgten durch den ersuchenden Staat zu Unrecht begehrt worden ist (BGHSt 32, 221 ff., 227; Senat NStZ-RR 2005, 252; Schomburg/Lagodny, IRG, 4. Aufl. 2006, § 77 Rn. 9, 40 Rn. 35). Hierfür ist es aber nicht erforderlich, dass der ersuchende Staat - was vorliegend nicht der Fall wäre - sein Auslieferungsersuchen wegen erwiesener Unschuld des Verfolgten zurücknimmt (zw. OLG Düsseldorf MDR 1987, 1049: keine Erstattung notwendiger Auslagen des Verfolgten nach abgelehnter Bewilligung der Auslieferung bei Fortbestehen eines hinreichenden Tatverdachts), sondern es reicht aus, wenn sich ein Auslieferungshindernis aus anderen Gründen ergibt (vgl. Senat NStZ-RR 2005, 252: Verurteilung zu einer nicht vollstreckbaren Strafe; Beschluss vom 28.8.2006, 1 AK 59/05: Amnestieerlass). Bereits dann ist nämlich das Auslieferungsverfahren i.S.d. §§ 77 IRG, 467 a StPO im Ergebnis zu Unrecht betrieben worden.
Hiervon ist vorliegend auszugehen, da die polnischen Justizbehörden mit Beschluss vom 14.9.2006 den gegen den Verfolgten wegen Unterhaltspflichtverletzung nach Art. 209 § 1 des polnischen Strafgesetzbuches zum Zwecke der Strafverfolgung bestehenden Haftbefehl des Amtsgericht in B. vom 27.10.2005 außer Vollzug gesetzt haben, so dass ein vollstreckbare Haftgrundlage nach § 83a Abs.1 Nr. 3 IRG nicht mehr vorliegt und die Auslieferung des Verfolgten nicht mehr für zulässig erklärt werden könnte (anders Senat NStZ 2006, 112 bei Entbehrlichkeit einer Zulässigkeitsentscheidung aufgrund Zustimmung des Verfolgten zur vereinfachten Auslieferung).
Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 29.3.2005 (NStZ -RR 2005, 252) ausgesprochen hat, ist die Übernahme der Verfahrenskosten des Verfolgten durch die Staatskasse in einem solchen Fall aus Gründen der Gewährleistung eines fairen Verfahrens (vgl. BGHSt 32, 221 [229]) geboten.
Eine Entschädigung für die erlittene Auslieferungshaft wird indes nicht bewilligt, weil eine Entschädigungspflicht nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen für die vollzogene Auslieferungshaft grundsätzlich ausgeschlossen ist und ein Fall, in welchem Behörden der Bundesrepublik Deutschland die unberechtigte Verfolgung zu vertreten hätten, nicht vorliegt (BGHSt 32, 221; Senat StV 2004, 444).
Der außer Vollzug gesetzte Auslieferungshaftbefehl des Senates vom 31.8.2006 war aufzuheben, so dass die dort festgelegten Auflagen und Weisungen entfallen.
Fundstellen
Haufe-Index 2578284 |
StV 2007, 151 |