Leitsatz (amtlich)
Die mit Aufnahme des Verurteilten in eine Therapiestätte wirksam gewordene Zurückstellung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe gem. § 35 BtMG hat die begonnene Strafvollstreckung nicht beendet, so daß die Ausländerbehörde den Verurteilten gem. § 64 Abs. 3 AuslG nur mit Zustimmung der Vollstreckungsbehörde abschieben darf. Eine andere Vollstreckungsbehörde muß sich daher mit der zuerst tätig gewordenen abstimmen (§ 43 Abs. 5 und 7 StVollstrO), wenn sie ihrerseits die Zurückstellung der Vollstreckung einer weiteren Freiheitsstrafe im Hinblick auf das Zurückstellungshindernis des drohenden Vollzugs einer Abschiebungsverfügung versagen will.
Tenor
Auf den Antrag des werden die Verfügung der Staatsanwaltschaft Mannheim vom 29. August 2000 - 901 Js 26052/97 VRs und 901 Js 30893/97 VRs - und der Beschwerdebescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 18. September 2000 - Zs 1378/00 - aufgehoben.
Die Staatsanwaltschaft Mannheim wird verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Von den außergerichtlichen Kosten des Antragstellers hat die Staatskasse die Hälfte zu tragen. Der Geschäftswert wird auf 5. 000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der heute 26 Jahre alte, drogenabhängige, in Deutschland geborene Antragsteller türkischer Staatsangehörigkeit, der sich seit 21. September 1999 zunächst in Untersuchungshaft befunden hatte, verbüßte ab Eintritt der Rechtskraft am 29. Februar 2000 die Freiheitsstrafe von zwei Jahren drei Monaten, die das Amtsgericht Geldern durch Urteil vom 6. Januar 2000 wegen gemeinschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gegen ihn verhängt hat. Mit Verfügung vom 2. Mai 2000 stellte die Staatsanwaltschaft Kleve die (weitere) Vollstreckung dieser Strafe mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges mit Wirkung vom Tage der Aufnahme in die Therapiestätte zur Durchführung einer Therapie gem. § 35 BtMG für die Dauer von zunächst einem Jahr zurück. Die Therapie wurde am 11. Mai 2000 begonnen und dauert noch an.
Nachdem das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Heilbronn mit seit dem 6. Juni 2000 rechtskräftigem Beschluss vom 16. Mai 2000 wegen des neuen, vom Amtsgericht Geldern geahndeten Straffälligwerdens des Verurteilten die Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich der Jugendstrafe von einem Jahr sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 9. November 1994 sowie der Freiheitsstrafe von zehn Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 19. März 1997 widerrufen hatte, lehnte die Staatsanwaltschaft Mannheim als - nach Abgabe der Vollstreckung gem. §§ 89 a Abs. 3 i. V. m. Abs. 1, 85 Abs. 6 JGG auch hinsichtlich der Jugendstrafe - zuständige Vollstreckungsbehörde mit Verfügung vom 29. August 2000 den Antrag des Verurteilten, die weitere Vollstreckung der (restlichen) Strafen aus diesen Verurteilungen ebenfalls gem. § 35 BtMG zurückzustellen, ab, da die Durchführung der Therapie im Hinblick auf seine Ausweisung und drohende Abschiebung nicht gewährleistet sei. Der von ihm hiergegen eingelegten Beschwerde gab die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe mit Bescheid vom 18. September 2000 unter Hinweis auf das Vorliegen des Zurückstellungshindernisses einer für sofort vollziehbar erklärten Ausweisungsverfügung der Ausländerbehörde keine Folge.
II.
Dem hiergegen gerichteten zulässigen Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 35 Abs. 2 BtMG, 23 ff. EGGVG - mit dem Ziel einer Verpflichtung der Vollstreckungsbehörde zur Zurückstellung der weiteren Vollstreckung der genannten Strafreste - ist der aus der Beschlussformel ersichtliche Erfolg nicht zu versagen. Die Erwägung der Vollstreckungsbehörde, die beantragte Zurückstellung nach § 35 BtMG sei schon deshalb zu versagen, weil mit dem Vollzug der sofort vollziehbaren Ausweisungs- und Abschiebungsverfügung zu rechnen sei, begegnet jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Nach ganz überwiegender, auch vom Senat in ständiger Rechtsprechung geteilter Auffassung kommt eine Zurückstellung nach § 35 BtMG dann nicht in Betracht, wenn gegen den Verurteilten eine bestandskräftige Abschiebungsverfügung vorliegt oder zumindest mit dem Vollzug einer solchen zu rechnen ist (vgl. nur Körner, BtMG 4. Aufl. § 35 Rdnr. 58; OLG Hamm NStZ 1999, 591; OLG Stuttgart Die Justiz 1998, 571 = StV 1998, 671 und Die Justiz 1999, 404; Senatsbeschluss vom 5. März 1998 - 2 VAs 43/97; a. A. OLG Düsseldorf StV 1999, 444 jedenfalls in einem Fall, in dem sich die Vollstreckungsbehörde für eine Zurückstellung ausgesprochen hatte). Vom Bestehen einer derartigen Situation ist vorliegend zwar grundsätzlich auszugehen, nachdem das Regierungspräsidium Karlsruhe den Antragsteller mit Verfügung vom 11. Mai 2000 ausgewiesen und die sofortige Vollziehung der Ausweisung angeordnet hat. Die ablehnende Entschließung der Vollstreckungsbehörde wird indes den Besonderheiten der gegebenen Vollstreckungssituat...