Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Zuständigkeit bei Änderung der Vollstreckungsreihenfolge

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einer erstrebten Änderung der Vollstreckungsreihenfolge ist für die gerichtliche Entscheidung nicht die Strafvollstreckungskammer nach §§ 458 Abs. 2, 454b Abs. 2 StPO, sondern der Strafsenat beim Oberlandesgericht nach §§ 23 ff. EGGVG sachlich zuständig.

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 09.06.2015; Aktenzeichen 12 StVK 146-149/15)

 

Tenor

  1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Freiburg vom 9. Juni 2015 aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur weiteren Behandlung an die Staatsanwaltschaft Memmingen zurückgegeben.
  3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Verurteilten im Beschwerdeverfahren hat die Staatskasse zu tragen.
 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts München vom 27.6.2012 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren und elf Monaten verurteilt. Das Urteil wurde am gleichen Tag rechtskräftig.

Aufgrund dieser Verurteilung widerrief das Landgericht Memmingen - Strafvollstreckungskammer - mit Beschluss vom 28.1.2013 (StVK 163-167/08 und 237/08) die mit Beschluss vom 25.1.2011 zur Bewährung ausgesetzten Strafreste der Urteile

- des Amtsgerichts Köln vom 9.12.1992 (Strafrest 100 Tage)

- des Amtsgerichts München vom 12.8.1993 (Strafrest: 72 Tage)

- des Amtsgerichts München vom 16.3.1994 (Strafrest:356 Tage)

- des Amtsgerichts München vom 8.4.1999 (Strafrest: 314 Tage)

- des Landgerichts Freiburg vom 26.5.2003 (Strafrest: 457 Tage) und

- des Landgerichts Memmingen vom 15.7.2008 (Strafrest: 403 Tage).

Zudem erklärte es die mit Urteil des Landgerichts Memmingen vom 15.7.2008 angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt.

Die gegen den Beschluss vom 28.1.2013 eingelegte sofortige Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht München am 26.3.2013 (1 Ws 251-257/13). Zum 11.5.2013 wurde die Vollstreckung der Strafe aus dem Urteil des Landgerichts München vom 27.6.2012 zur Vollstreckung der sechs vorgenannten Restfreiheitsstrafen unterbrochen. Die Strafreste aus den Urteilen des Amtsgericht München vom 12.8.1993, des Amtsgerichts Köln vom 9.12.1992 und des Amtsgerichts München vom 8.4.1999 sind seit dem 8.9.2014 vollstreckt. Der Strafrest aus dem Urteil des Amtsgerichts München vom 16.3.1994 wird am 30.8.2015 vollstreckt sein.

Mit Schreiben vom 7.1.2015 beantragte der Verurteilte bei der Staatsanwaltschaft Memmingen eine rückwirkende Änderung der Strafvollstreckungsreihenfolge im Hinblick auf eine Therapie nach § 35 BtMG. Er begehrt, dass zunächst die Strafe von sechs Jahren und elf Monaten bis zu einem "therapiefähigen" Zeitpunkt vollstreckt werde. Hilfsweise legte er zugleich Beschwerde gegen die Vollstreckung der Reststrafen und gegen die vorgenommene Umstellung der Strafvollstreckungsreihenfolge ein und beantragte die Prüfung der Wiedereinsetzung der für erledigt erklärten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB.

Mit Verfügung vom 28.1.2015 lehnte die Staatsanwaltschaft Memmingen die beantragte Umstellung der Vollstreckungsreihenfolge ab. Mit Schreiben vom 11.3.2015 erhob der Verurteilte gegenüber dem Landgericht Freiburg - Strafvollstreckungskammer - Einwendungen gegen diese Entscheidung mit dem Ziel, möglichst schnell eine Therapie nach § 35 BtMG erreichen zu können. Die Staatsanwaltschaft Memmingen beantragte mit Verfügungen vom 1. und 2.4.2015 die Einwendungen gemäß § 458 Abs. 2 StPO zurückzuweisen. Mit Schreiben vom 19.5.2015 nahm die entsprechend § 140 Abs. 2 StPO für das Verfahren am 13.4.2015 beigeordnete Verteidigerin Stellung.

Mit angefochtenem Beschluss vom 9.6.2015 wies das Landgericht Freiburg die Einwendungen des Verurteilten gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft Memmingen vom 1.4.2015 zurück. Gegen diesen am 12.6.2015 zugestellten Beschluss legte die Verteidigerin am 18.6.2015 sofortige Beschwerde ein und begründete diese mit Schreiben vom 2.7.2015.

II.

Die gemäß § 462 Abs. 3 StPO statthafte und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache jedenfalls vorläufigen Erfolg.

Die Strafvollstreckungskammer war nicht nach §§ 458 Abs. 2, 454b Abs. 2 StPO für die Entscheidung über die Einwendungen des Verurteilten gegen die Vollstreckungsreihenfolge zuständig. Das Verfahren nach § 458 StPO findet nur Anwendung auf die ausdrücklich in § 454b StPO geregelten Fälle der Vollstreckungsunterbrechung. Für alle anderen Fälle ist der Rechtsweg nach §§ 21 StVollstrO, 23 ff EGGVG eröffnet (Senat, StV 2003, 348; BGH, NJW 1991, 2030; BGH, NJW 2012, 1016; OLG Köln, Beschluss vom 4.8.2009, 2 Ws 361/09; KK-StPO-Appl, 7. Aufl. 2013, § 454b StPO, Rn 28 m.w.N.).

Die vom Beschwerdeführer begehrte Umstellung der Vollstreckungsreihenfolge findet in § 454b Abs. 2 Satz 1 StPO keine Grundlage. § 454...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?