Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Anonymisierung bei Urteilsveröffentlichungen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Entscheidung der Gerichtsverwaltung darüber, ob eine Gerichtsentscheidung als veröffentlichungswürdig publiziert wird, unterliegt ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Dies erfordert eine Abwägung der widerstreitenden Interessen, vorliegend des Informationsinteresses der Öffentlichkeit und gegebenenfalls der Fachöffentlichkeit an der Veröffentlichung der Gerichtsentscheidung sowie des Geheimhaltungsinteresses des Betroffenen als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
2. Ein Verfahrensbeteiligter kann grundsätzlich nicht ausschließen, dass die ihn betreffende Entscheidung veröffentlicht wird, auch wenn die Prozessparteien der Öffentlichkeit oder einzelnen Dritten trotz Anonymisierung bekannt werden. Allerdings ist bei der Ermessensentscheidung zu beachten, dass der Antragsteller grundsätzlich ein berücksichtigungsfähiges und berechtigtes Interesse daran hat, dass seine persönlichen Angaben und Umstände in der veröffentlichten Entscheidung anonymisiert sind.
Tenor
1. Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung v. 21.11.2019 und v. 26.8.2020 gegen die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15.8.2019, das Revisionsurteil v. 20.12.2018 im Verfahren I ZR 133/17 in der in Anlage 3 vorliegenden und als Vorabdruck bezeichneten Fassung zu veröffentlichen, wird zurückgewiesen.
2. Der Geschäftswert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller, der Partei eines zivilrechtlichen Revisionsverfahrens vor dem Bundesgerichtshof war, wendet sich gegen die ihm mit Schreiben vom 15.8.2019 mitgeteilte Entscheidung der Präsidentin des Antragsgegners, das Revisionsurteil in der als "Vorabdruck" bezeichneten anonymisierten Fassung zu veröffentlichen. Er strebt an, diese Veröffentlichung wegen fehlender Veröffentlichungswürdigkeit und unzureichender Anonymisierung seiner Person zu verhindern. Der Antragsteller bezeichnet die Bundesrepublik Deutschland als Gegner, nachfolgend wird der Bundesgerichtshof als Antragsgegner bezeichnet.
Der Antragsteller, der Hochschullehrer und Kommentator in einem Verlag ist, hatte sich in einem zivilrechtlichen Verfahren, das mit einer Revisionsentscheidung endete, gegen die Kündigung seines Autorenvertrages gewendet und wegen des Inhalts eines Schreibens des im Ausgangsverfahren beklagten Verlages Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens geltend gemacht. Das Urteil ist seitens des Antragsgegners zur Veröffentlichung vorgesehen.
Nachdem der Antragsgegner nach ersten Einwendungen eine weitergehende Anonymisierung vornahm, kündigte die Präsidentin des Antragsgegners mit Scheiben v. 15.8.2019 gegenüber dem damaligen anwaltlichen Vertreter des Antragstellers im Revisionsverfahren an, das Revisionsurteil werde unter der Beachtung der zuvor in dem Schreiben genannten Grundsätze, nämlich der Abwägung zwischen dem berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Schutzinteresse desjenigen, der unmittelbar von der Preisgabe persönlicher Informationen betroffen ist, in der beiliegenden anonymisierten Fassung (Vorabdruck, Anlage 3) in nächster Zeit veröffentlicht. Mit E-Mail vom 7.11.2019 teilte die Verwaltung des Antragsgegners dem Antragsteller mit, dass nach Zurückweisung des Tatbestandsberichtigungsantrages eine Publikation der anonymisierten Entscheidung erfolgen solle. Im Anschluss ist ausgeführt: "Wenn Sie Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ergreifen wollen, geben wir Ihnen hierfür bis zum 22.11.2019 Gelegenheit. Dies sollte auskömmlich sein, um die Anträge zu finalisieren und bei Gericht anhängig zu machen, zumal nun bereits ein erheblicher zeitlicher Vorlauf bestand. Der Ausgang eines gerichtlichen Eilverfahrens wird von hier aus - wie Ihnen bereits mehrfach zugesichert wurde - abgewartet."
Mit am 25.11.2019 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe eingegangenem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO wandte sich der Antragsteller mit den unten wiedergegebenen Anträgen gegen die Veröffentlichung des Urteils gemäß Anl. 3. Der Antragsgegner rügte den Rechtsweg als unzulässig und trat den Anträgen entgegen. Mit Beschluss vom 5.2.2020 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenat - verwiesen, da der Verwaltungsrechtsweg unzulässig sei. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 10.07.2020 zurückgewiesen.
Der Antragsteller macht geltend, das Revisionsurteil sei nicht veröffentlichungswürdig. Darüber hinaus sei es in der zur Veröffentlichung vorgesehenen Fassung gemäß Anl. 3 an zahlreichen, im einzelnen ausgeführten, Stellen nicht hinreichend anonymisiert. Ohne hinreichende Anonymisierung sei eine Veröffentlichung rechtswidrig. Dies ergebe sich aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, aber auch aus rechtsstaatlichen Grundsätzen und dem Rechtsstaatsprinzip. Dem Informationsinteresse d...