Leitsatz (amtlich)
1. Die Frage, ob die Überschreitung eines Gutachterauftrags geeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen zu begründen, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beantworten. Dabei kann eine Stellungnahme des Sachverständigen, die Komplexität der Beweisfrage und die Fülle des Prozessstoffes zu berücksichtigen sein.
2. Liegt in Ansehung aller Umstände eine bloße Fehlinterpretation des Gutachtenauftrags vor, stellt dies regelmäßig keinen Befangenheitsgrund dar. Dieser Vorwurf betrifft in der Sache nicht die Unparteilichkeit des Sachverständigen, sondern die Qualität des Gutachtens.
3. Unzulänglichkeiten oder Fehler des Gutachtens können dieses entwerten, rechtfertigen aber für sich allein nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit.
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 01.06.2022 gegen den Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 16.05.2022 (Aktenzeichen 4 O 218/18) wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerderechtszugs.
3. Der Streitwert des Beschwerderechtszugs wird auf bis zu 45.869,76 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger macht aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau die Rückzahlung von Architektenhonorar geltend, nachdem ein das Bauvorhaben in der M. Str., K. betreffender Architektenvertrag gekündigt worden ist.
Das Landgericht erließ am 25.01.2019 einen Beweisbeschluss, mit welchem die Begutachtung näherbezeichneter Honorarparameter im Wege eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet wurde. Daraufhin legte der Sachverständige R. (künftig: der Sachverständige) mit Datum vom 04.12.2019 eine schriftliche Begutachtung vor. Hierzu nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 21.04.2020 Stellung. Das Landgericht ordnete daraufhin mit Beweisbeschluss vom 02.06.2020 eine ergänzende Begutachtung. Der Sachverständige legte sodann am 18.01.2021 ein erstes Ergänzungsgutachten vor. Im Vorfeld eines anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung nebst Gutachtenerläuterung nahmen die Parteien zu dem Ergänzungsgutachten Stellung. Infolge der landgerichtlichen Verfügung vom 11.10.2021 legte der Sachverständige am 15.11.2021 ein zweites Ergänzungsgutachten vor. Mit Verfügung vom 23.11.2021 wurde den Parteien insoweit eine Stellungnahmefrist bis 10.01.2022 eingeräumt worden, die auf Antrag des Klägers mit Verfügung vom 28.12.2021 bis 28.01.2022 verlängert wurde.
Im Rahmen des hierauf eingereichten Schriftsatzes des Klägers vom 28.01.2022 lehnte dieser den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
Zu dem Ablehnungsgesuch nahm der Sachverständige mit Datum vom 28.02.2022 Stellung. Hierzu führte der Kläger wiederum mit Schriftsatz vom 12.04.2022 aus.
Mit Beschluss vom 16.05.2022 wies das Landgericht Karlsruhe das Gesuch des Klägers vom 28.01.2022, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurück. Gegen diesen Beschluss legte der Kläger mit Schreiben vom 01.06.2022 sofortige Beschwerde ein.
Der Kläger führte zur Begründung nachfolgend im Besonderen aus, dass in mehrfacher Hinsicht sowohl eine Überschreitung des Gutachtenauftrags als auch inhaltliche Fehlleistungen des Sachverständigen vorlägen. Damit bestehe die Besorgnis der Befangenheit.
Im Einzelnen liege eine bewusste Überschreitung des Gutachtenauftrags vor allem darin, dass der Sachverständige auf S. 11 seines Gutachtens vom 15.11.2021 ausgeführt habe, dass "nahezu bei keinem Bauvorhaben alle Leistungen zu erbringen" seien. Zudem liege eine Überschreitung des Gutachtenauftrages darin, dass der Sachverständige das Vorbringen der Parteien eigenständig auf Richtigkeit hin untersucht habe. Im Widerspruch zu dem unstreitigen Prozessstoff habe der Sachverständige im Hinblick auf die Planindizes A-E ausgeführt, dass der Beklagte die Kostenberechnung aus der Perspektive und auf Grundlage des Erkenntnisstands der abgeschlossenen Leistungsphase 5 (Ausführungsplanung) erstellt habe.
Weiterhin habe der Sachverständige die Einwände des Klägers bezüglich einer angemessenen Bewertung der Grundleistung Nr. 1 c) erstmals auf das Ablehnungsgesuch des Klägers hin als zutreffend bestätigt. Dies zeige, dass er zuvor nicht dazu bereit gewesen sei, sich mit dem Vortrag und den Einwendungen des Klägers in der gebotenen Weise umfassend auseinanderzusetzen.
Des Weiteren ergebe sich ein Befangenheitsgrund daraus, dass der Sachverständige aufgrund des Vortrags des Klägers im Schriftsatz vom 21.04.2020 hätte berücksichtigen müssen, dass in der Ausführungsphase lediglich die Pläne des Beklagten zum Planungsstand 05.09.2016 - Index C, nicht hingegen jene mit Index D vom 05.10.2017, vorgelegen hätten. Der Sachverständige habe sich auf S. 16 des zweiten Ergänzungsgutachtens angemaßt, den Tatsachenvortrag des Klägers als unzutreffend zu werten und im Rahmen seiner Honorarermittlung einen hiervon abweichenden Sachverhalt zugrunde zu legen; er habe dort ausgeführt, "dass dieser hier angesprochene Schnitt A-A während der Bauausführung gefertigt worden ist und dem Rohbauer zur Ve...