Leitsatz (amtlich)
Das Verkehrszeichen 260 verbietet weder das Schieben von Krafträdern im gesperrten Verkehrsbereich, noch deren Halten oder Parken.
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Y. vom 22. Februar 2008 aufgehoben.
Der Betroffene wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Der Betroffene wurde durch Urteil des Amtsgerichts Y. vom 22.02.2008 wegen fahrlässigen ordnungswidrigen Verhaltens zu einer Geldbuße von 15 Euro verurteilt, weil er sein Kraftrad am 14.07.2007 für ca. fünf bis sechs Stunden am Seeufer in Z. abgestellt hatte, obwohl dieser Verkehrsbereich durch das Verbotszeichen 260 gesperrt gewesen war. Dabei ist das Amtsgericht von der unwiderlegten Einlassung des Betroffenen ausgegangen, dieser sei bis zu dem Schild mit dem Zeichen 260 mit seinem Kraftrad gefahren, habe es von dort an bis zum Abstellplatz geschoben und an dieser Stelle fünf bis sechs Stunden belassen. Das Verhalten des Betroffenen hat der Tatrichter deshalb als verkehrsordnungswidrig i.S.d. §§ 41 Abs. 2, 49 StVO i.V.m. § 24 StVG angesehen, weil der Betroffene das Kraftrad im Verkehrsbereich des Verbotszeichens 260 geparkt habe und dieses Verbotszeichen sowohl den fließenden als auch den ruhenden Verkehr betreffe.
Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat die Zulassung der Rechtsbeschwerde des Betroffenen und deren Verwerfung beantragt.
II.
Die Rechtsbeschwerde, welche der Senat zur Fortbildung des Rechts zugelassen hat (§§ 80 Abs.1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, 80 a Abs. 1 und 3 OWiG), führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Freisprechung des Betroffenen.
Ob das in § 41 Abs.2 Nr. 6 StVO erfasste Verkehrszeichen 260 "Verbot für Krafträder, auch mit Beiwagen, Kleinkrafträder und Mofas sowie für Kraftwagen und sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge" auch ein Verbot des Schiebens von Krafträdern sowie den ruhenden Verkehr erfasst, ist bislang - soweit ersichtlich - obergerichtlich nicht entschieden. Der Senat verneint beide Fragestellungen.
Eingeführt wurde das Verkehrszeichen 260 durch die Elfte Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrsordnung vom 19.03.1992 (vgl. hierzu VKBl. 1992 Heft 7 S. 165 ff., 173). In der amtlichen Begründung hierzu ist ausgeführt, dass "die Ergänzung durch die Zeichen 254, 255, 259 und 260 wegen der Bedeutung und der Häufigkeit dieser Zeichen in die StVO aufgenommen" werde (VKBl. a.a.O. S. 188). Dies lässt für die Erfassung des Schutzbereichs dieser Regelung den Schluss zu, dass der Verordnungsgeber mit der Einführung der genannten Zeichen vor allem eine nähere Aufschlüsselung und Spezifizierung des allgemeinen Verbotszeichens 250 "Verbot für Fahrzeuge aller Art" vornehmen und den neuen Verbotszeichen keinen darüber hinausgehenden eigenständigen Bedeutungsgehalt zukommen lassen wollte. Bei dem Zeichen 250 findet sich aber hinsichtlich seines Anwendungsbereichs die bereits durch den Verordnungsgeber selbst vorgenommene ausdrückliche Einschränkung, dass das Verbot unter anderem nicht das Schieben von Krafträdern und Fahrrädern erfasse (vgl. hierzu BGBl. 1970 Teil I, Seite 1565 ff., 1588). Versteht man das Zeichen 260 in Sinne des Verordnungsgebers als Spezifierung dieser allgemeinen Regelung, so besteht kein Grund, die dort erfassten Ausnahmen nicht auf die Einzelfallregelung zu übertragen. Vielmehr hätte es insoweit einer ausdrücklichen Klarstellung seitens des Verordnungsgebers bedurft, wenn dieser dem Verkehrszeichen 260 einen über die Grundnorm hinausgehenden Bedeutungsgehalt hätte beimessen wollen. Danach verbietet das Verkehrszeichen 260 nicht das bloße Schieben eines Kraftrades im gesperrten Verkehrsbereich, sondern zunächst lediglich das Fahren mit einem solchen.
Aber auch der ruhende Verkehr wird, soweit Krafträder betroffen sind, von dem Verkehrsverbotszeichen 260 nicht erfasst. Der Bundesgerichtshof hat in seinem auf Vorlage des OLG Düsseldorf ergangenen Beschluss vom 21.10.1986 - 4 StR 386/86 (BGHSt 34, 194 ff. = VRS 72, 134 ff. = NStE Nr. 2 zu § 41 StVO = NJW 1987, 198 f.; a.A. vorhergehend: OLG Hamm VRS 47, 475 f.; OLG Karlsruhe VRS 54, 309 ff.; OLG Köln VerkMitt 1977, 47 ff.; vgl. hierzu auch OLG Düsseldorf VRS 92, 231 ff.; Hentschel NJW 1993, 1171 ff., 1173; ders., Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. 2009, StVO, § 41 Rn. 248e m.w.N.) entschieden, dass das Verkehrsverbot nach StVO § 41 Abs. 2 Nr. 6 - Zeichen 250 "Verbot für Fahrzeuge aller Art" - dann kein Verbot für Halten oder Parken enthalte, wenn es mit einem zeitlich eingrenzenden Zusatzschild (dort "20.00 bis 5.00 Uhr") versehen sei. Er hat zur Begründung ausgeführt, dass dem Zeichen 250 zwar dann, wenn es nicht zeitlich eingeschränkt ist, im Ergebnis die Wirkung eines Halteverbotes zukomme, weil die Verkehrsflächen, für die es gilt, nur verbotenerweise erreicht werden können. Diese Wirkung könne das Zeichen allerdings verlieren, wenn es durch Zusatzschilder eingeschränkt werde. So verbiete das zeitlich eingegrenzt...