Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrverbot. wirtschaftliche Existenzgefährdung. Verkehrsrecht. Fahrverbot trotz wirtschaftlicher Existenzgefährdung
Leitsatz (amtlich)
Bei drei gewichtigen Verkehrsverstößen innerhalb von wenig mehr als einem halben Jahr, von denen einer bereits mit einem Fahrverbot geahndet wurde, ist die Anordnung eines Fahrverbots auch bei Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz geboten.
Normenkette
StVG § 25 Abs. 1; BKatV § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; StVG § 29 Abs. 7, 4 Nr. 3, § 65 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Emmendingen (Entscheidung vom 19.12.2018; Aktenzeichen 5 OWi 530 Js 20425/18) |
Tenor
- Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Emmendingen vom 19.12.2018 wird als unbegründet verworfen.
- Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Mit dem angefochtenen Urteil verurteilte das Amtsgericht Emmendingen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 32 km/h zu der Geldbuße von 160 € und ordnete ein Fahrverbot von einem Monat an. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner auf die Sachrüge gestützten Rechtsbeschwerde, mit der in erster Linie die Anordnung des Fahrverbots beanstandet wird. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe beantragt,
die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
1. Die Überprüfung des Schuldspruchs und der Bemessung der Geldbuße deckt keinen Rechtsfehler auf. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe verwiesen werden. Entgegen des mit der dazu abgegebenen Gegenerklärung vorgebrachten Einwands bedurfte es der Angabe des verwendeten Messverfahrens vorliegend nicht, nachdem die Feststellungen zum Geschwindigkeitsverstoß nicht auf dem Messergebnis, sondern - zulässigerweise (BGHSt 39, 291, 303) - auf einem Geständnis des Betroffenen beruhen.
2. Auch die Anordnung des Fahrverbots hat im Ergebnis Bestand, obwohl das angefochtene Urteil insoweit nicht gänzlich den Darstellungsanforderungen genügt.
a) Soweit das Amtsgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines groben Verstoßes gegen die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers (§ 25 Abs. 1 Satz 1 StVG) bejaht hat, ist dies allerdings rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Beim Vorliegen der in § 4 Abs.1 Satz 1 Nr.1 BKatV umschriebenen Voraussetzungen ist die Annahme eines groben Pflichtverstoßes indiziert. Nur ausnahmsweise können besondere Ausnahmeumstände in der Tat (z.B. atypischer Rotlichtverstoß wegen Ausschlusses einer Gefahrenlage) oder in der Persönlichkeit des Betroffenen (z.B. Augenblicksversagen beim Rotlichtverstoß) eine andere Bewertung rechtfertigen. Ausdrücklicher Erörterung bedarf dies aber nur, wenn sich der Betroffene hierauf beruft oder sonst offensichtliche Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall gegeben sind (KG VRS 134, 151; 189), was vorliegend nicht der Fall ist.
b) Danach kommt es nicht mehr darauf an, dass die Urteilsausführungen zur weiteren Annahme eines beharrlichen Verstoßes (§ 25 Abs. 1 Satz 1 StVG) unzureichend sind, weil zu den Vorverstößen nur lückenhafte Feststellungen getroffen wurden und deshalb teilweise offenbleibt, ob die Vorverstöße dem Verwertungsverbot des § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG unterliegen. Da der für den Beginn der Tilgungsfrist maßgebliche Zeitpunkt der Rechtskraft bzw. der Unanfechtbarkeit der Entscheidungen (§ 29 Abs. 4 Nr. 3 StVG) nicht mitgeteilt wird, kann bezüglich der Entscheidungen vom 11.11.2013 und vom 19.2.2014 bereits nicht beurteilt werden, ob für die Tilgung die bis 30.4.2014 geltende Fassung des § 29 StVG oder das seither geltende Recht Anwendung findet (§ 65 Abs. 3 StVG). Bezüglich der weiteren Entscheidungen vom 14.1.2016 und vom 9.5.2016 kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass die insoweit geltende Tilgungsfrist von zwei Jahren und sechs Monaten (§ 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVG) zum Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung bereits abgelaufen war.
c) Die Voraussetzungen für ein Absehen vom Fahrverbot liegen nicht vor.
1) Bei Vorliegen eines Regelfalles nach der BKatV kann von der Verhängung eines Fahrverbotes angesichts seiner Funktion und des Gleichbehandlungsgebotes nach ständiger Rechtsprechung nur unter besonderen Umständen abgesehen werden; anzulegen ist ein strenger Maßstab (OLG Koblenz NStZ-RR 1997, 19; OLG Hamm NZV 2003, 103; NZV 2007, 583; KG VRS 111, 441; OLG Köln NZV 2001, 391). In Betracht kommt ein Wegfall der Nebenfolge unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nur dann, wenn greifbare und hinreichend belegte Anhaltspunkte für eine durch das Fahrverbot eintretende Existenzgefährdung bestehen, oder wenn sich die Maßnahme nach den Umständen des Einzelfalles anderweitig als eine für den Betroffenen besondere Härte darstellen würde. Damit kommt es darauf an, ob die für den Betroffenen zu erwartenden persönlichen und beruflichen Einschränku...