Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Bestimmung einer angemessenen Barabfindung gem. §§ 327 ff., 306 AktG
Leitsatz (amtlich)
1. Eine empirisch genaue Festlegung der Marktrisikoprämie ist - nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft - nicht möglich.
2. Bestimmung des Betafaktors unter Berücksichtigung des unternehmenseigenen Betafaktors und der Betafaktoren von Peer Groups.
3. Der Wachstumsabschlag muss nicht notwendig der erwarteten Inflationsrate entsprechen.
Verfahrensgang
LG Mannheim (Beschluss vom 17.05.2013; Aktenzeichen 23 AktE 21/06) |
Tenor
1. Auf die Beschwerden der Antragsteller zu 2, 23, 29, 36, 42, 43, 45 und 49 wird der Beschluss des LG Mannheim vom 17.05.2013 - 23 AktE 21/06 - in Ziffer 1. dahin ergänzt, dass der zuerkannte Abfindungsbetrag ab 01.09.2009 mit jährlich 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen ist.
Die weiter gehenden Beschwerden der Antragsteller zu 2, 23, 29, 43 und 45 werden zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die im Beschwerdeverfahren entstandenen Gerichtskosten einschließlich der Kosten des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre.
Die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird für die Gerichtskosten und die Vergütung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre auf 200.000,00 EUR festgesetzt.
4. Der Wert der anwaltlichen Tätigkeit für das Beschwerdeverfahren wird wie folgt festgesetzt:
Antragsteller 2, 23, 29 EUR 25.553,91
Antragsteller 6, 7, 8 EUR 36.137,83
Antragsteller 36, 49 EUR 10.000
Gründe
A. Die Antragsteller begehren im Rahmen des Spruchverfahrens für ihren Ausschluss als Minderheitsaktionäre aus der... AG, Heidelberg, einen Abfindungsbetrag, der über den in der Hauptversammlung beschlossenen hinausgeht.
Die Antragsteller waren Minderheitsaktionäre der... AG in Heidelberg, deren Leistungsspektrum von der Beratung und Auswahl über die Einführung und den Betrieb von Produkten der... AG reicht. Sie betreut überwiegend Großkunden im Bereich Retail. Die... AG hielt zum Stichtag 15.7.2005 zahlreiche Beteiligungen an Unternehmen im Ausland. Ihr Grundkapital beläuft sich nach einer Herabsetzung im April 2005 auf rund 18.825.000,00 EUR und ist eingeteilt in 18.824.642 Inhaberaktien. Zum Zeitpunkt der Hauptversammlung am 15.7.2005 hielt die Antragsgegnerin 95,02 % der Aktien.
Am 18.3.2010 wurde das Verlangen der Hauptaktionärin auf Ausschluss der Minderheitsaktionäre bekannt gemacht. Ein entsprechender Beschluss erfolgte in der Hauptversammlung vom 15.7.2005, in welcher als Abfindung ein Betrag von 3,89 EUR je Aktie festgesetzt wurde aufgrund eines von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ... AG ermittelten Betrages von 3,88 EUR, welcher vom gerichtlich bestellten Barabfindungsprüfer BDO Deutsche Warentreuhand Aktiengesellschaft bestätigt worden war. Aufgrund der Eintragung im Handelsregister am 04.8.2006 gingen 938.173 Aktien auf die Antragsgegnerin über. Die letzte Bekanntmachung erfolgte am 17.11.2006. Anfechtungsprozesse gegen den Hauptversammlungsbeschluss hatten keinen Erfolg (LG Heidelberg, 11 O 104/05 KfH; OLG Karlsruhe 7 U 123/06).
Die Antragsteller und der Vertreter der außenstehenden Aktionäre haben geltend gemacht, dass die Abfindung deutlich erhöht werden müsse, auch über den vom gerichtlich bestellten Sachverständigen ermittelten Betrag von 4,45 EUR hinaus. Es müsse, wenn überhaupt, die Bewertungsrichtlinie IDW S 1 in der zum Stichtag 15.7.2005 maßgeblichen Fassung herangezogen werden.
Von Antragstellerseite ist die Auffassung vertreten worden, die zugrunde gelegte Planung der... AG sei unrealistisch pessimistisch und berücksichtige positive Zukunftsaussichten nicht hinreichend. Die Personal- und Materialaufwendungen würden zu hoch, die Umsatzerlöse zu niedrig angesetzt. Zum Teil haben die Antragsteller die Berücksichtigung persönlicher Ertragssteuern bei der Ermittlung des Ertragswertes gerügt. Der Kapitalisierungszinssatz und der dabei in Ansatz gebrachten Basiszinssatz seien zu hoch angesetzt worden. Der Risikozuschlag sei unzutreffend bemessen worden. Das bei der Ermittlung des Risikozuschlags angewendete CAPM bzw. Tax-CAPM-Modell sei nicht geeignet. Der Betafaktor sei zu hoch, der Wachstumsabschlag zu niedrig in Ansatz gebracht worden. Das betriebsnotwendige Vermögen sei nicht in der angemessenen Höhe in Ansatz gebracht worden. Eine höhere Abfindung sei auch aus dem Börsenkurs abzuleiten, wobei zumindest bei Einleitung des Verfahrens vertreten wurde, dass hier auf einen 3-Monats-Zeitraum vor der Hauptversammlung abzustellen sei.
Die Antragsteller haben beantragt, die Abfindung über den in der Hauptversammlung beschlossenen Betrag von 3,89 EUR je Aktie hinaus gerichtlich festzusetzen.
Den vom Sachverständigen für angemessen erachteten Betrag von 4,45 EUR haben die Antragsteller für unzureichend erachtet.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat ausgeführt, dass der in der Hauptversammlung beschlossene Be...