Leitsatz (amtlich)
Das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 - Genfer Flüchtlingskonvention - findet auf die Frage der Volljährigkeit von Flüchtlingen keine Anwendung.
Verfahrensgang
AG Bad Säckingen (Beschluss vom 14.04.2015) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bad Säckingen vom 14.4.2015 aufgehoben.
2. Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Beendigung der Vormundschaft für einen allein eingereisten Ausländer wegen Erreichens der Volljährigkeit.
Der nach seinen eigenen Angaben am 1.1.1997 geborene Betroffene besitzt die algerische Staatsangehörigkeit. Er beantragt Asyl in Deutschland, wo er sich dauerhaft aufhalten möchte. Er meint, dass er Algerien habe verlassen müssen, da er zum Christentum konvertiert sei und nunmehr in seinem Heimatland um sein Leben fürchten müsse. Sein Vater habe wegen des Glaubenswechsels bereits versucht, ihn zu töten und seine Geschwister hätten den Kontakt zu ihm abgebrochen.
Mit Beschluss vom 9.9.2014 hat das AG - Familiengericht - Bad Säckingen festgestellt, dass die elterliche Sorge der Eltern des Betroffenen ruht. Gleichzeitig hat es für den Betroffenen Vormundschaft angeordnet und das Jugendamt L. zum Vormund bestellt. Am 14.4.2015 hat das Familiengericht beschlossen, dass die Vormundschaft mit dem 18. Geburtstag des Betroffenen wegen Erreichens der Volljährigkeit beendet sei. Zur Begründung wird ausgeführt, dass auf den Betroffenen die Genfer Flüchtlingskonvention anzuwenden sei mit der Folge, dass sich der Personalstatus und damit auch das Erreichen der Volljährigkeit gemäß deren Art. 12 Abs. 1 nach deutschem Recht als dem Recht des Aufenthalts richten würden. Für Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen diese dem Jugendamt L. als Vormund am 17.4.2015 zugestellte - nicht der Abhilfe unterliegende, § 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG - Entscheidung legte das Jugendamt L. als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen in dessen Namen Beschwerde ein. Darin wird geltend gemacht, dass der Betroffene erst am 1.1.2016 volljährig werde, da sich sowohl das Ende der Vormundschaft als auch der Minderjährigkeit nach seinem Heimatrecht richten würden. Nach algerischem Recht werde er erst mit Erreichen des 19. Lebensjahres volljährig.
Der Betroffene persönlich erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Er hat sich nicht geäußert.
Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere die Schreiben und Berichte des Vormunds, verwiesen.
II. Die Beschwerde des Betroffenen ist zulässig und begründet.
1. Die Beschwerde ist nach §§ 58 ff. FamFG zulässig. Insbesondere wurde sie durch das Jugendamt L. als Vertreter des Betroffenen wirksam erhoben (a) und der Betroffene ist durch die Entscheidung beschwert (b).
a) Das Jugendamt legte die Beschwerde in seiner Funktion als Vormund in Vertretung für den Betroffenen ein. Diese Vertretungshandlung ist wirksam, da das Jugendamt entgegen den Feststellungen im angefochtenen Beschluss noch Vormund des Betroffenen ist und dementsprechend für ihn nach § 9 Abs. 2 FamFG das Beschwerderecht ausüben konnte.
aa) Die Vormundschaft endete nicht mit der Zustellung des Beschlusses an den Vormund und den Betroffenen. Zwar spricht der angefochtene Beschluss die Beendigung der Vormundschaft aus und ein Beschluss wird nach § 40 FamFG grundsätzlich mit Bekanntgabe an den Beteiligten, für den er seinem Inhalt nach bestimmt ist, wirksam. Diese Wirkungen treten vorliegend aber nicht ein, weil es sich bei der Entscheidung um keinen richterlichen Gestaltungsakt, sondern um einen rein deklaratorischen Beschluss handelt. Das Familiengericht hat ausschließlich festgestellt, dass die Vormundschaft beendet ist (vgl. zu der hier gebotenen Differenzierung zwischen der Beendigung des Ruhens der elterlichen Sorge und des Endes der Vormundschaft Staudinger/Coester, BGB, Neubearbeitung 2009, § 1674 Rz. 22; jurisPK/Poncelet, BGB, 7. Aufl. 2014, § 1674 Rz. 12 f.; BeckOK/Veit, BGB, Stand 1.5.2014, § 1674 Rz. 14).
bb) Eine Beendigung der Vormundschaft, die das Jugendamt an der wirksamen Einlegung der Beschwerde hätte hindern können, ist nicht eingetreten.
(1) Die Beendigung der Vormundschaft setzt im konkret zu entscheidenden Fall voraus, dass der Betroffene volljährig geworden ist. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob auf die Voraussetzungen, unter denen die Vormundschaft beendet ist, deutsches oder algerisches Recht Anwendung findet, da sich die Rechtsordnungen insofern nicht unterscheiden: Nach deutschem Recht endet die Vormundschaft gem. §§ 1882, 1773 BGB mit dem Erreichen der Volljährigkeit. Gleiches gilt nach algerischem Recht, nach dem das Fürsorgebedürfnis und damit die Vormundschaft ebenfalls mit dem Erreichen der Volljährigkeit enden (vgl. Art. 87, 99 des algerischen Familiengesetzbuches).
(2) Das Tatbestandsmerkmal der Volljährigkeit, die nach dem Ausgeführten zur Beendigun...