Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Untätigkeitsbeschwerde in einer Sorgerechtsstreitigkeit oder in einem Verfahren nach § 1666 BGB ist nicht erst dann zulässig, wenn ein sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Verfahrensstillstand gegeben ist, der auf eine Rechtsverweigerung hinausläuft, oder wenn ein Untätigbleiben des Gerichts auf einem willkürlichen Verhalten beruht und damit den Tatbestand einer Rechtsverweigerung erfüllt, sondern bereits dann, wenn eine Verzögerung behauptet wird, die zu einem nennenswerten Rechtsverlust des die elterliche Sorge anstrebenden Elternteils oder zu einer weiteren Schädigung des Kindeswohls führen kann.
2. Droht ein nennenswerter Rechtsverlust oder eine weitere Schädigung des Kindeswohls, hat das Beschwerdegericht auf die Untätigkeitsbeschwerde hin dem erstinstanzlichen Gericht eine äußerste Beschleunigung des Verfahrens zu empfehlen. Was in dem konkreten Verfahren unter äußerster Beschleunigung zu verstehen ist, kann es zeitlich für die zukünftige Verfahrensweise definieren.
Normenkette
ZPO § 567
Verfahrensgang
AG Mannheim (Aktenzeichen 7B F 51/02) |
Tenor
Auf die Untätigkeitsbeschwerde des Vaters wird das AG angewiesen, das Verfahren mit äußerster Beschleunigung weiterzuführen.
Gründe
Die Eltern streiten seit 1997 um das Sorgerecht für ihre Tochter …, geb. 1993. Im Scheidungsrechtsstreit erging die einstweilige Anordnung vom 11.11.1997, mit welcher die elterliche Sorge für die Dauer des Getrenntlebens der Mutter übertragen wurde (AG Mannheim – 7B F 107/97 EA I).
Im vorliegenden Verfahren stellte der Vater am 19.9.1999 den Antrag, die elterliche Sorge auf beide Eltern zu übertragen. Diesen Antrag wies das AG am 10.12.2001 mit der Begründung zurück, die Voraussetzungen des § 1696 BGB lägen nicht vor. Nahezu gleichzeitig leitete es ein Verfahren nach § 1666 BGB auf Neuregelung der elterlichen Sorge ein, dies vor dem Hintergrund, dass die Ursachen dafür, dass ein Umgang des Vaters mit dem Kind nahezu nicht stattfand, bei der Mutter liegen könnten. Mit Beschluss vom 4.3.2002 hat der Senat denjenigen des AG vom 10.12.2001 aufgehoben. Nachdem es dies bereits am 20.2.2001 erwogen hatte, bestellte das AG am 15.4.2002 eine Verfahrenspflegerin und verband die Verfahren nach § 1696 BGB und nach § 1666 BGB. Das AG nahm Empfehlungen der Verfahrenspflegerin und Stellungnahmen des Jugendamtes entgegen und ordnete am 17.3.2003 die Erhebung eines Sachverständigengutachtens bei dem Dipl.-Psych. B., Weinheim, an. Als nächste Entscheidung des AG steht die über eine Ablehnung des Sachverständigen, Dipl.-Psych. B., wegen Besorgnis der Befangenheit durch die Mutter an.
In zwei Nebenverfahren hat das AG einen Antrag des Vaters vom 1.3.2000, den Eltern im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen, mit Beschluss vom 21.2.2001 zurückgewiesen und einen Antrag des Vaters vom 7.2.2002, die kinderpsychiatrische Behandlung des Kindes einzustellen und die Zustimmung der Mutter gem. § 1666 Abs. 3 BGB zu ersetzen, durch Beschluss vom 30.9.2002 zurückgewiesen (7B F 51/02 EA I und 7B F 51/02 EA II).
Die Untätigkeitsbeschwerde des Vaters ist zulässig und begründet.
I. In Streitigkeiten über die elterliche Sorge kommt dem Anspruch des die elterliche Sorge (wieder) erstrebenden Elternteils auf effektiven Rechtsschutz besondere Bedeutung zu. Denn jede Verfahrensverzögerung kann dazu führen, dass Verhältnisse sich verfestigen und eine (Wieder-) Übertragung der elterlichen Sorge mit weiterem Zeitablauf unwahrscheinlicher wird. In Fällen, in denen eine Wiederbeteiligung eines Elternteils an der elterlichen Sorge gem. § 1666 BGB oder sonstige Maßnahmen gegen den anderen Elternteil nach dieser Bestimmung in Frage kommen, führt jede Verzögerung zu einer weiteren Schädigung des Kindeswohls, wenn sich später herausstellen sollte, dass zur Wahrung des Kindeswohls entspr. Maßnahmen nötig gewesen wären. Eine Untätigkeitsbeschwerde in einer Sorgerechtsstreitigkeit oder in einem Verfahren nach § 1666 BGB ist deshalb nicht erst dann zulässig, wenn ein sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Verfahrensstillstand gegeben ist, der auf eine Rechtsverweigerung hinausläuft (vgl. etwa OLG Saarbrücken v. 16.2.1999 – 6 WF 4/99, OLGReport Saarbrücken 1999, 179) oder wenn ein Untätigbleiben des Gerichts auf einem willkürlichen Verhalten beruht und den Tatbestand einer Rechtsverweigerung erfüllt (vgl. BGH v. 21.11.1994 – AnwZ (B) 41/94, NJW-RR 1995, 887; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.7.2001 – 16 WF 78/01), sondern bereits dann, wenn eine Verzögerung behauptet wird, die zu einem nennenswerten Rechtsverlust des die elterliche Sorge anstrebenden Elternteils oder zu einer weiteren Schädigung des Kindeswohls führen kann (vgl. BVerfG v. 11.12.2000 – 1 BvR 661/00, FamRZ 2001, 753). Dies ist hier der Fall.
II. Droht, wie hier, auch tatsächlich nennenswerter Rechtsverlust des Vaters oder eine weitere Beschädigung des Kindeswohls, hat das mit der Untätigke...